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Neue Bücher für neue Zeiten

■ Ostberliner SchülerInnen bekommen zum Schulanfang neues Lehrmaterial / Bund gab Geld für West-Literatur

Ost-Berlin. Mit vereinten Kräften haben die Schulbuchverlage aus Ost und West dafür gesorgt, daß alle Ostberliner SchülerInnen pünktlich neue Lehrbücher bekommen können. Etwa 166.540 SchülerInnen werden ab 1. September an 410 Schulen ins neue Schuljahr starten. Wie Bildungsstadtrat Dieter Pavlik (SPD) gestern vor der Presse im Roten Rathaus sagte, trügen die neuen Bücher den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung.

Die „Volk und Wissen GmbH“ konnte nicht alle 61 Buchtitel rechtzeitig bereitstellen. Der Bundestag stellte 30 Millionen DM zur Verfügung, um Bücher unter anderem aus den Bereichen Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde kaufen zu können. Welche Lehrmittel künftig benutzt werden, entscheiden die Ostberliner Schulen in eigener Verantwortung.

Durch die Entideologisierung der Lehrpläne und die Einführung neuer Leitungsstrukturen, so Pavlik, seien wichtige Voraussetzungen zur Demokratisierung im Bildungsbereich geschaffen worden. Die Pädagogen hätten jetzt mehr Freiräume und könnten erstmals schöpferisch tätig sein. Tabuthemen solle es nicht mehr geben. Pavlik sagte, seine Verwaltung arbeite an einem Schulverfassungsgesetz. Zwar werde das Dokument nur wenige Monate neben der Westberliner Schulverfassung gültig sein. Es sei aber nötig, um weitere Reformen an Ostberliner Schulen durchführen zu können. Deshalb solle der Entwurf zur Diskussion vorgelegt und im September von der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden. Nach den Gesamtberliner Wahlen werde ein neues Gesetz erarbeitet. Man hoffe, daß darin auch Ostberliner Vorstellungen, z.B. zum Verhältnis zwischen Eltern und Lehrern, berücksichtigt würden.

Von Januar bis März wurden in Ost-Berlin etwa 2.000 zusätzliche Stellen mit MitarbeiterInnen aus Verwaltungsbereichen, dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit und gesellschaftlichen Organisationen besetzt. Daher gebe es derzeit einen „Lehrerüberhang“, sagte Pavlik. Einige der PädagogInnen waren seit Jahrzehnten nicht im Schuldienst tätig. Es müsse differenziert geprüft werden, wer am 1. September seine Arbeit aufnehmen könne. Allein in Marzahn seien 41 der 150 in der Modrow-Regierung eingestellten PädagogInnen MfS-MitarbeiterInnen gewesen. Das schließe die Erziehungsarbeit an einer neuen Generation aus.

adn/taz

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