Kunst und Kitsch in der Wunderkammer

■ „Zehn Jahre Zimbabwe: Kunst und Geschichte“ im Haus der Kulturen der Welt

Kolonialzeit in „Rhodesien“: Ein gestickter Fries (von 1923) erzählt in folkloristischen Heimatbildchen von der Landnahme der Weißen im Nbele-Land, als würde es sich um einen britischen Jagdausflug handeln. Doch der Versuch, die koloniale Vergangenheit als marginale Epoche zu skizzieren und hinter sich zu lassen, scheitert in der Ausstellung auf absurde Weise.

Hinter Glas liegen einige Tabakklumpen, begehrte Handelsware der Kolonialherren, das puppenhafte Modell eines Reisewagens und eine niedliche kleine Reiseschreibmaschine.

Diese harmlosen Exponate scheinen absolut untauglich, an den Beginn der Kolonialherrschaft in Rhodesien zu erinnern und die Geschichte von den weißen Massakern an den Völkern der Nbele und Shona zu thematisieren. Tatsächlich wird dies Sammelsurium weißer Souvenirs nicht zufällig in eine abgelegene Ecke der Ausstellung Zehn Jahre Zimbabwe: Kunst und Geschichte gedrängt, denn nicht um das koloniale Reich Rhodesien, sondern um das unabhängige Zimbabwe, das mit dieser Ausstellung sein zehnjähriges Bestehen im Ausland feiern will, geht es. Aber in jedem Kapitel der Ausstellung drängt sich die koloniale Vergangenheit wieder auf als ein Fixpunkt, der nicht nur die jetzige Geschichte Zimbabwes weiterbestimmt, sondern auch den Blick auf die vorkoloniale Zeit.

Back to the roots

via Frankfurt

Auf dem Umschlag des Kataloges ist ein neuer Teppich abgebildet, auf dem in erdigen Farben das Motiv des „Toten Königs“ verarbeitet wird. Er bietet sich mit gehörnter Tierkopfmaske und erigiertem, spritzendem Penis einer Interpretation an, die das Organ männlicher Zeugungskraft in seiner Überwindung des Todes zum archaischen Symbol des Lebens stilisiert. Der frühgeschichtliche Ursprung des „Toten Königs“ entzieht ihn jeder Kritik am patriarchischen Mythos, denn entstanden ist er nach einer Felsbildzeichnung aus der Steinzeit. Doch nicht die Höhle selbst diente als Vorlage, sondern die Zeichnungen, die Mitglieder einer deutschen Forschungsexpedition 1928 anfertigten und die im Frobenius-Institut in Frankfurt aufbewahrt werden. Da läuft die Besinnung auf die kulturellen Wurzeln via Frankfurt.

Den direkten Versuch, das Volk der Shona ihrer eigenen Kultur und Vergangenheit zu berauben, dokumentiert die Geschichte der Entdeckung von „Great Zimbabwe“, den größten historischen Monumenten Zimbabwes, die im Haus der Kulturen in kleinen Modellen der Festungen und Gipskopien der Vogelstelen vorgestellt werden. Der deutsche Historiker Karl Mauch, der das Flußtal des Limpopo vermaß und kartographierte, Tiere und Pflanzen zeichnete, war auf der Suche nach den großen Steinmauern, von denen Portugiesen berichtet hatten. Er hoffte, auf das sagenhafte Land biblischer Überlieferung der Königin von Saba zu stoßen und interpretierte die Ruinen der mächtigen Befestigungen als eindeutige Zeugnisse einer vorhistorischen weißen und einem einzigen Gott verbundenen Kultur. Seine späteren Zweifel an seiner eigenen Datenauswertung verschwieg Mauch, denn diese Version von einer an Gold reichen, weißen und gläubigen Herrschaft war inzwischen für die britischen Siedler des späten neunzehnten Jahrhunderts zu einer Legitimation geworden, hier wieder eine weiße Macht zu etablieren. Das ganze zwanzigste Jahrhundert über wurden von britischen und rhodesischen Gesellschaften immer wieder Archäologen beauftragt, den Mythos dieses Reiches zu bestätigen. Doch stattdessen entdeckten die Wissenschaftler immer mehr Beweise für den afrikanischen Ursprung „Great Zimbabwes“. Die Mauern und Türme, Töpfe, Porzellan- und Goldfunde bestätigten die Existenz einer mächtigen Shona-Kultur zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert, die mit großen Viehherden, Erzgruben, Verhüttung und einem weitgreifenden Handel großen Reichtum erwirtschaftete und differenzierte Machtstrukturen ausformte. Die afrikanischen Kulturleistungen von „Great Zimbabwe“ nahm nun wieder die Unabhängigkeitsbewegung für sich in Anspruch als Symbol ihrer eigenen Geschichte und ihres Widerstandes; noch 1969 versuchte das rhodesische Parlament, durch einen Zensurbeschluß jede weitere Forschung und Veröffentlichung zum afrikanischen Ursprung „Great Zimbabwes“ zu unterbinden.

Die über fast ein Jahrhundert kolonialer Herrschaft währenden Bemühungen, Geschichtschreibung und historische Forschung über die Shona und Nbele zu unterdrücken, hat erfolgreich verhindert, daß diese Völker Dokumente ihrer Kultur sammeln und zur Stiftung ihrer eigenen Traditionen und Identität auswerten konnten. Mit dem Mangel an Exponaten über die vorkoloniale Vergangenheit konfrontiert, sind die Organisatoren der Ausstellung Zehn Jahre Zimbabwe, die unter der Schirmherrschaft Robert Gabriel Mugabes, Präsident der Republik Zimbabwe, und Richard von Weizsäckers steht und vom Übersee-Museum Bremen in Zusammenarbeit mit The National Museums& Monuments and The National Archives of Zimbabwe erarbeitet wurde, auf die merkwürdige Idee verfallen, diese Lücke durch einige naturkundliche Ausstellungsstücke zu füllen. Sie sollen auf die Ressourcen des Landes Jagdbeute, Elfenbein, Diamantfelder und Erze - verweisen. Doch die Geweihe von Antilopen und Büffeln, Nashorn- und Elefantenschädel, Stoßzähne und Löwenfelle lassen diese eh schon bunte Ansammlung aus Kunstobjekten, archäologischen Funden, romantischen Landschaftsbildern der Entdecker und Kunsthandwerk der Frauen aus ländlichen Kooperativen mehr einer Kunst- und Wunderkammer der Renaissance als einer gegenwärtigen Dokumentation von Kultur und Geschichte eines heutigen Staates gleichen. Außerdem setzt sich in diesem Rückgriff auf die Naturgeschichte, die quasi als Ersatz für die vernichtete Historie der Afrikaner angeboten wird, die Auslöschung ihrer Geschichtsschreibung fort. Sie werden damit bis zur Ankunft der Kolonialmächte praktisch in einen geschichtslosen Naturzustand zurückversetzt.

Schwarze Kunst

für weiße Käufer

Ein Mensch schläft zusammengerollt, das Gesicht in den Händen geborgen, zwischen den Flügeln eines Vogels, dessen Körper ihn wie ein schützendes Ei umhüllt. In dieser glänzenden schwarzen Steinskulptur Ignotos ragt nur der Kopf des Vogels aus der großen, geschlossenen, ovalen Form hervor. Die Form des Steines und die Geschichte, die der Bildhauer in ihm gesehen und mit feinen grafischen Linien hineingezeichnet hat, berühren sich im Moment des Schützens und Bewahrens.

Die moderne Bildhauerkunst Zimbabwes begann vor ungefähr drei Jahrzehnten. In ihrer Geschichte spielen Joram Mariga, Frank McEwen und Tom Blomfield die Rolle von Pionieren: Joram Mariga war Landwirtschaftsberater, der 1958 als Autodidakt anfing, Steine zu behauen und sich als erster dieser Kunst zuzuwenden. Frank McEwen, Leiter der Nationalgalerie Rhodesiens war der erste Kunsthistoriker britischer Herkunft, der eine eigenständige afrikanische Kultur in Rhodesien fördern wollte und in den sechziger Jahren in Workshops begann, afrikanische Bildhauer zu unterstützen beziehungsweise seine Museumswächter als afrikanische Bildhauer werkeln zu lassen. Der Tabakfarmer Tom Blomfield sattelte vom schlechten Geschäft des Tabaks um auf Bildhauerkunst, stellte seine Farm als großes Freiluftatelier zur Verfügung, organisierte die Steine und die Besuche kauffreudiger Touristen und kassierte 30 Prozent der Einnahmen. Diese skizzierte Situation deutet an, daß sowohl von weißen Förderern, sei es aus kommerziellen und/oder ästhetischen Gründen, als auch von den afrikanischen Künstlern der Wunsch nach authentischer, ihre Identität bestärkender afrikanischer Kunst bestand. Wurzeln wurden gesucht; aber über die mündliche Überlieferung der Shona-Legenden hinaus war eine Tradition, an die sie hätten anknüpfen können, nicht vorhanden, zumindest nicht sichtbar. Eine Art ursprünglicher Kunst, die sich an Mythen orientierte und Beziehungen zur alten Kultur und deren Spiritualität aufzubauen suchte, wurde neu entworfen.

Daß dieser paradoxe Prozeß trotzdem mehr als bestellte Exotik und folkloristische Mythen hervorgebracht hat, beweist die Auswahl der Steinskulpturen. Angetreten als Hersteller eines meist für den Export bestimmten Artikels, der zu einem nicht unerheblichen Handelsposten Zimbabwes geworden ist, haben die Steinbildhauer dennoch zu einer sehr konzentrierten, reduzierten und modernen Formensprache gefunden.

Fleißige

Frauenhände

Als ein mehr den Problemen seines Alltags zugewandter Künstler wird der Holzschnitzer Zephinia Tshuma vorgestellt. Bei ihm finden die sozialen Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Rassen ihren ironischen Ausdruck. Ein Mann und eine Frau lehnen in einer spitzen Kompositon aneinander: Der Kopf der Frau verschwindet im aufgerissenen Maul des Mannes. Ein anderer, weißer Mann hält eine Frau mit einem Schweinekopf im Arm. Gemeinsam tragen sie als Füße die Sitzplatte eines Hockers. Zwischen ihnen steht in einem aufgeschlagenen Buch: „My Lover - Unity is Power“. Die Skulptur karikiert die traditionellen Hocker, die den Häuptlingen als Standessymbole dienen. Das afrikanische Herrschaftssymbol wird umgemünzt in eines der Macht des snobistischen weißen Mannes über die schwarze Frau. Das Versprechen gemeinsamer Stärke wiederum fungiert als Legitimation ihrer dienenden Position. Wer zum Schluß triumphiert und auf dem Hocker sitzt, bleibt offen. Tshumas geschnitzte Figuren, die auf den ersten Blick naiv und folkloristisch erscheinen, deuten komplizierte Verwicklungen der privaten und politischen Machthierarchien an, in denen die schwarze Frau immer als letzte in der Reihe steht. Die meisten Bildhauer der Shona, die größtenteils polygam leben, werden in ihrer Arbeit von ihren Frauen unterstützt, die oft die sehr aufwendige Politur übernehmen. Daß es auch junge Künstlerinnen gibt, berichtet sowohl der Film Geschichten aus Stein, der als Videokassette bereitliegt, als auch die Archäologin und Kunstwissenschaftlerin Helke Kammer -Grothaus. Sie hat den Katalog herausgegeben - ein umfangreiches Lesebuch über die jetzige Situation Zimbabwes in Politik und Wirtschaft, über die Probleme der Frauen, über Kultur bis hin zum Rezept für Sieben-Tage-Bier - und sie hat einen großen Teil der Exponate zusammengetragen, leider ohne einen Stein von Künstlerinnen mitzubringen.

So zeigt die Ausstellung neben der Kunst von Männern wieder in traditioneller Teilung Kunsthandwerk von Frauen. Und wie zu Beginn des Ausstellungsrundgangs die gestickten Handarbeiten die weiße Landnahme glorifizierten, versuchen in absurder Entsprechung am Ende Bilder aus Stoffapplikationen vom Alltag in der Unabhängigkeit zu erzählen. Ihr in schönen Farben leuchtender Detailreichtum rührt: Den Autobussen - zum Lob des neuen Verkehrssystems sind die ordentlich gefälteten Gepäckstücke einzeln aufgenäht, doppelt genähte Stoffblüten öffnen sich plastisch, die Finger an den Händen sind einzeln ausgearbeitet. In mir taucht die düstere Vorstellung auf, daß das die Kunst einer Klasse ist, die lange als fleißige Dienstboten ihre Tugenden beweisen mußte. Damit die Frauen, die sonst für ihre Männer nähen, für diese Ausstellung arbeiten durften, mußte Frau Kammer-Grothaus ihnen Entschuldigungszettel schreiben. Die Applikationen werden, ebenso wie geschnitzte Holzschalen in Gestalt von Vögeln, handgewirkte Teppiche und Blechspielzeug, auf dem „Basar“ der Ausstellung zum Verkauf angeboten.

Katrin Bettina Müller

„Zehn Jahre Zimbabwe: Kunst und Geschichte“, im Haus der Kulturen der Welt, bis 30. September. Di. bis Fr. von 14 bis 20 Uhr, am Wochenende und feiertags 10 bis 20 Uhr. Das Handbuch zur Ausstellung kostet 28 Mark. Vom 1. September bis 7. Oktober wird ein Filmprogramm zur Ausstellung gezeigt.