: Schön, daß es Saddam Hussein gibt
■ betr.: "SPD will (noch) keine UNO-Bundeswehr", taz vom 21.8.90
betr.: „SPD will (noch) keine UNO-Bundeswehr“,
taz vom 21.8.90
Für den militärisch-industriell-politischen Komplex brachte der Umbruch in Osteuropa erhebliche Probleme: Es fehlte plötzlich die „Bedrohung aus dem Osten“ als das bisher schlagkräftigste Werbeargument der Rüstungsindustrie. Damit fehlte jegliche Begründung, sowohl für die Fortexistenz der Nato als auch die Anwesenheit amerikanischer Truppen in Deutschland. Abrüstung drohte Wirklichkeit zu werden; dies hätte Verlust von erheblichen Monopolgewinnen bedeutet und mangels vorhandener Konversionsprogramme die Stillegung von erheblichen industriellen Einheiten und somit auch Arbeitslosigkeit.
Weder für die Hochrüstung der Bundeswehr, den immer noch steigenden Wehretat noch für die Fortführung der Wehrpflicht und ihre Ausdehnung nun auch auf Berlin gab es irgendeinen einsehbaren Grund mehr. Auch der Rüstungsexport verlor, unter anderem vermittelt über die Bürgerbewegungen in der DDR, die dortige Rüstungsschiebereien entdeckten, jeglichen Rest an Legitimation. Hinzu kam die Zunahme von innenpolitischen Konflikten, nachdem sich das Märchen vom kommenden Wirtschaftswunder in der DDR als solches erwies und heute niemand mehr freudig auf das große Ereignis „Vereinigung“ wartet. (...) Notwendig war also ein neues Feindbild, das mindestens folgende Elemente enthielt:
Irgend jemand von außen muß Schuld haben an künftigen wirtschaftlichen Problemen, zum Beispiel jemand, der „unseren“ Ölhahn abdreht. (...) Wie früher nach dem Strickmuster „links rechts“ Kommunismus als Nachfolge des Faschismus dargestellt wurde, mußte auch jetzt gelten: X Hitler, damit man parteiübergreifenden Konsens erreichen konnte.
Nach den Überfällen der USA auf Grenada, Vietnam und Panama mußten die USA als Führungsmacht alles Guten, Wahren und Schönen erscheinen, möglichst - wie übrigens schon im Fall des Korea-Kriegs - mit Unterstützung der UNO. Das neue Feindbild muß an den hier bereits vorhandenen Ängsten und Vorurteilen ansetzen, also mußte der Feind irgendwo in Afrika, Asien oder Nahost sitzen und so aussehen wie die, von denen die 'Bild'-Zeitung schon lange sagt, daß sie unser Unglück seien. Deutsche Menschen müßten unmittelbar bedroht sein, am besten auch Frauen und Kinder - so ungefähr wie in der schönen Geschichte bei der Kriegsdienstverweigerung: „Da ist eine junge Frau mit Kind im Wald, ein Iraker (pardon: damals Russe) kommt und bedroht sie, und du hast zufällig eine Waffe dabei...“ Nur so kann Nationalgefühl und neuer Militarismus in einem Brei neu aufgekocht werden.
Wie schön, daß es Saddam Hussein gibt. Er erfüllt alle Bedürfnisse nach einem Feindbild. Ein Kampf gegen ihn wäre so etwas wie eine hygienische Aktion, schließlich ist er wie nicht nur 'Bild‘ jeden Tag darstellt - ein „Irrer“, den man stoppen muß.
Und es funktioniert: Die SPD der Kriegskredite des Ersten Weltkrieges verspricht, nicht sofort, aber doch in ein paar Wochen das Grundgesetz zu ändern - und selbst die Grünen, und übrigens auch die taz, werden eigentümlich schweigsam, wenn es darum geht, schlicht „NEIN“ zu sagen.
Michael Rothschuh, Hildesheim (BRD
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