„Liebt Gott die Schwarzen eigentlich?“

■ Beerdigungsfeier in Soweto von sieben Opfern der jüngsten Unruhen / Appelle zur Versöhnung mit Wanderarbeitern / Haß gegen die Polizei / „Unser Wunsch nach Frieden heißt nicht Angst vor Krieg“

Aus Soweto Hans Brandt

Etwa 10.000 Menschen drängten sich am Montag in das Jabulani -Amphitheater in Soweto zur Beerdigungsfeier für sieben Opfer der schweren Kämpfe der letzten zwei Wochen. Allein in Soweto waren 150 Menschen ums Leben gekommen. Insgesamt wurden 515 Menschen Opfer der Auseinandersetzungen zwischen Inkatha- und ANC-Anhängern, die in den Townships rund um Johannesburg getobt hatten. Zehntausende von Schwarzen rund um Johannesburg unterstützten gestern gleichzeitig einen Aufruf zu einem Generalstreik aus Protest gegen die Gewalt. Etwa 50 Prozent aller Arbeiter blieben zuhause.

Doch von Trauer war in Soweto wenig zu spüren. Stattdessen mußten sich Dutzende von Ordnern des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) anstrengen, um in der militanten Stimmung die Menge zu kontrollieren. „Wir müssen uns benehmen wie Mitglieder einer disziplinierten Armee“, sagte ANC-Vertreter Murphy Morobe militanten Jugendlichen in den Rängen.

Das militärische Bild verstärkte auch Winnie Mandela, Frau des ANC-Vizepräsidenten Nelson Mandela. Sie erschien in voller Uniform der ANC-Armee, mit Mütze, Tarnjacke und schweren schwarzen Stiefeln. Die Armee des Apartheidstaates, vertreten aus schwarzen Soldaten einer Elitetruppe, hielt außerhalb des Stadions in einiger Entfernung Wache.

Die Toten, die beerdigt wurden, waren zum größten Teil keine politischen Aktivisten. Nur einer der Särge war in den Farben des ANC - schwarz, grün und gold - angestrichen. Darin lag die Leiche eines Jugendlichen, dessen älterer Bruder als Mitglied der ANC-Armee eine zehnjährige Haftstrafe absitzt. Unter den anderen Opfern befand sich ein Mann, der zur Zeit seines Todes Wächter bei einer privaten Sicherheitsfirma war. Ein anderer Toter war seinem alten Vater zufolge vor seinem Haus von der Polizei erschossen worden, obwohl es weder in der Straße noch in der Gegend zu der entsprechenden Zeit Kämpfe gab.

„Diese Leute sind Opfer von Gewalt, die nur ein Ziel hatte

-unsere Gemeinschaft zu spalten, Verwirrung und Verzweiflung zu säen“, sagte der französische Priester Immanuel Lafonte, der schon seit Jahren in Soweto arbeitet. „Das Apartheidsystem mit seiner Polizei und seinen Verbündeten hat ein Komplott gegen die Bevölkerung geschmiedet.“ Doch Lafonte rief ausdrücklich zum Frieden auf. Die Jugendlichen müßten zur Schule gehen, um sich auf das neue Südafrika vorzubereiten, sagte er. Mit diesem Satz erntete der Priester allerdings weniger Beifall als mit der Verurteilung der Polizei.

Der anglikanische Erzbischof Desmond Tutu, der aufgrund der Gewalt eine Reise nach Kanada abgebrochen hatte, schien fast an seiner Religion zu zweifeln. „Überall leiden wir Schwarzen“, sagte er. „In den USA, in Kanada, in Afrika. Wir fragen Gott - liebst du Schwarze genauso wie andere Menschen?“ Die Gewalt, meinte Tutu, sei von Leuten angezettelt worden, die Schwarzen nicht ihre Freiheit gönnen wollten. Es gebe überwältigende Anzeichen dafür, daß die Polizei nicht unparteiisch sei. „Wir brauchen eine neue Polizei“, forderte er unter tosendem Beifall. „Eine Polizei, die von der Bevölkerung anerkannt wird.“ Tutu hatte in der vergangenen Woche gefordert, UNO-Friedenstruppen in die Townships zu schicken, um die Situation von neutraleren Kräften als dem südafrikanischen Sicherheitsapparat beruhigen zu lassen.

Tutu wiederholte auch die Forderung des ANC, die Wohnheime für Wanderarbeiter und das gesamte System der Wanderarbeit azuschaffen. „Das System der Wohnheime zerstört unsere Leute“, sagte er. Zugleich rief er auch zur Versöhnung mit den Wanderarbeitern auf. Alle Schwarzen müßten zusammenarbeiten.

Auch Peter Mokaba, Präsident des militanten südafrikanischen Jugendkongresses (Sayco), sprach sich für Versöhnung mit den Heimbewohnern aus. „Die Heimbewohner müssen Land und Häuser in Soweto erhalten“, sagte er. „Sie sind unsere Brüder.“ Doch was die Polizei betraf, war er unnachgiebig. „Als ANC haben wir zwar den bewaffneten Kampf suspendiert, um auf der Suche nach Frieden ein Zeichen zu setzen“, meinte Mokaba. „Aber der ANC hat nicht das Recht suspendiert, daß Menschen sich selbst verteidigen dürfen.“

Er rief zur dringenden Bildung von Selbstverteidigungseinheiten im ganzen Land auf - nicht, um sich gegen andere Schwarze zu verteidigen, sondern „gegen die Aktivitäten der Polizei“. „Unser Wunsch nach Frieden heißt nicht Angst vor Krieg“, warnte der Sayco-Führer den Präsidenten de Klerk. „Wir sind bereit, bis zum letzten Tropfen unseres Blutes zu kämpfen.“