: ...wegen Hungers
■ Mediengruppe Radio Parkstraße stellt heute abend zwei Filme vor
Es gibt sie zwar schon seit Mai 1989, aber so richtig bekannt sind sie immer noch nicht. Aufgetaut oder Heute schon geträumt? oder Unruhe in Hohegeiß oder Rostock - und haben Sie sonst noch Probleme? oder Hunger heißen ihre Produktionen. Hergestellt wurden sie vom Projekt Radio Parkstraße, einer Medien-Gruppe der Tagesstätte Parkstraße für geistig und mehrfach behinderte Menschen.
Heute abend werden die FilmemacherInnen erstmals ihre eigenen Räume in der Parkstraße verlassen und mit ihren Arbeiten an die Öffentlichkeit gehen. Um 21 Uhr stellt die Gruppe im Cafe Sand ihren überarbeiteten Rostock-Film und ihre neue Produktion Hunger vor, die in Zusammenarbeit mit Kindern des Kindergartens Hollerallee entstand.
Günther Berghaus, Heilerziehungspfleger, und Jürgen Köster, Diplompädagoge, wissen, wie wichtig die Anerkennung durch die sogenannte „Normalbevölkerung“ für die BesucherInnen der Tagesstätte ist. Angst oder Vorbehalte bei ihrer Medienarbeit haben die Filmerinnen nicht, allein die Reaktionen der „Normalen“ sorgt doch manchmal für Irritationen.
Kinder sind dabei offensichtlich die unvoreingenommensten Film- oder Interview-Partner. In Hunger treffen zwei Kinder im Bürgerpark auf ein Paar aus der Parkstraße und verbringen den Tag mit ihnen, der, wegen Hungers, in einer Hamburger-Braterei in der Innenstadt endet. Auch im Film über Bremens Partnerstadt Rostock stehen Kinder häufig Rede und Antwort oder bauen sich unaufgefordert vor der Kamera auf und singen ein Lied - „wir wandern durch die Felder“.
Die beiden Filmarbeiten sind
voll von komischen Momenten und humorigen Sprüchen. Was bei den Profis so gern „spröder Witz“ genannt wird, erhält hier eine ganz neue Bedeutung. Denn ob ein vermeintlicher Gag plaziert wurde oder einfach nur der Situation entsprang, erschließt sich den BetrachterInnen nicht sofort.
„Die Textarbeit ist recht schwierig“, bekennt dann auch der Betreuer Günther Berghaus. „Wir sind gefordert, auf die Stimmungen unserer BesucherInnen einzugehen. Sie identifizieren
sich mit ihren Arbeiten und stimmen ab, welche Schnitte gemacht werden oder ob eine Großeinstellung, die jemand für unvorteilhaft hält, herausgeworfen wird. Aber die Bedingungen hängen eben auch von Anfallbereitschaften und der allgemeinen Tagesform ab.“
Es sei auch jederzeit möglich, daß ein Filmprojekt ganz gesprengt wird oder alles neu gedreht werden muß, wenn die Mehrheit dafür ist. Die beiden Betreuer sind zwar stimmberechtigt, greifen aber inhaltlich nicht ein, wenn ihnen ethische oder moralische Bedenken kommen. Das Konzept sieht vor, daß früher tabuisierte Themen wie Sexualität und Gewalt offen behandelt werden. Das war in der Klinik Kloster Blankenburg, aus der viele BesucherInnen kommen, nicht möglich.
Einer Überforderung der Filmgruppenmitglieder müssen Berghaus und Köster zuvorkommen, darum übernehmen sie die Bedienung der Video-Geräte und sprechen auch schon mal Tips in den laufenden Film. Dem Spaß am Zugucken der skurrilen Filmarbeiten tut dies keinen Abbruch. Jürgen Franck
heute 21 Uhr im Cafe Sand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen