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Mit Steinen gegen den Kopf des Heiner Geißler

■ Der gestürzte CDU-Generalsekretär las im Kito Vegesack / Kontroverse im Saal und fliegende Steine vor der Tür

Der deutsche Nationalstaat war ein Unglück für die Deutschen. Die Welt steht vor einem „ökologischen Desaster“. Wie die EG über verbilligten Rohrzucker die vom Zucker abhängigen Gegenden der „Dritten Welt“ ruiniert, ist „politische Kriminalität“. Die Bundesrepublik ist ein Einwanderungsland und muß es auch bleiben. Das derzeitige Ausländerrecht ist „rassistisch“. So redet und schreibt derzeit der gestürzte Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler.

Nicht die Bremer CDU hatte ihn nach Bremen eingeladen, aus seinem neuen Buch vorzutragen, sondern der Vegesacker Buchhändler Otto unters Dach in das neue Kulturzentrum „Kito“ in die Alte Hafenstraße. Geißler kam, ohne bodyguard, seine „Zugluft - Politik in stürmischer Zeit“ un

term Arm. „Ich habe es selber geschrieben“, versichert der CDU-Politiker. Sein Bedauern über die toten Zivilisten beim Sturm auf

Panamas Diktator Noriega beweist es: „Der CIA ist einfach nicht mehr das, was er einmal war.“

Geißler wendet, und dafür wurde er von Kohl abgesetzt, seine scharfe Sprache allerdings derzeit gegen die Trägheit im eigenen Lager. Er wirbt um Verständnis für das russische Volk, das eine „Geschichte von Katastrophen“ hinter sich habe und zuletzt „zweimal Opfer deutscher Gewalttätigkeit“ geworden ist. 20 Millionen Tote - Geißler sagt die Zahl zweimal - und: „Was hatten die Deutschen vor Moskau zu suchen?“

Die Ausländerfeindlichkeit ist für einen Konservativen das derzeit wohl sensibelste Thema. Geißler erklärt, warum einige „so dumm daherreden in meiner Partei“: Die glaubten, so den Republikanern das Wasser abgraben zu können. Für Geißler ist die Haltung gegenüber Ausländern der „Lakmustest“ christlicher

Grundhaltung, da ist er ganz klar, grundsätzlich, moralisch. Für sein Parteiklientel schiebt er Hilfsargumente nach. Seine Türken-Beispiele sprechen fließend schwäbisch und sind Oberarzt. Auch die Bremer und Schwaben, die in die USA auswanderten, seien „Wirtschaftsasylanten“ gewesen, erinnert Geißler. Von den Arabern, mit denen die europäische Kultur in den Dialog kommen müsse, hätten „wir“ immerhin das Zahlensystem übernommen, als die Kulturen sich einmal näher waren. Und wenn die Deutschen unter sich blieben, könnten „wir“ schon im Jahre 2015 die Renten nicht mehr finanzieren.

Eine Frage aus dem Publikum, welche Religion die Kinder aus kulturgemischten Ehen haben sollten, beantwortet er nicht. Geißler ist sich mit Lafontaine einig: Wenn das Asylrecht verschärft (Geißler: „geregelt“) wird, kann das Ausländerecht liberalisiert werden. Dann werden nicht potentielle Sozialhilfeempfänger ins Land gelassen, sondern leistungswillige junge Menschen machen das vereinigte Europa modern und „multikulturell“ - wie in den USA.

Geißler kommt natürlich auch auf den Kommunismus zu sprechen, der die hundertjährige Auseinandersetzung „um das Glück des Menschen endgültig verloren“ hat. Hat die Entspannungspolitik oder Reagens Rüstungsspirale die SU zum Einlenken gezwungen und Gorbatschow ermöglicht? Geißler findet die Frage „müßig“, möchte sie Historikern überlassen. Er will, das ist ganz deutlich, Anhänger der Entspannungspolitik nicht ver

prellen. Daß das Thema den Wahlkampf beherrschen könnte, bedauert er. In der Sache allerdings bleibt er die Antwort nicht schuldig: Der Nato-Nachrüstungsbeschluß mußte 1982 durchgehalten werden, sonst wäre den Osteuropäern „die Hoffnung genommen worden“. Die westliche Härte habe das militärische Umdenken erzwungen und die Breschnew-Anhänger in die Knie gezwungen.

Die Sozialdemokratie habe damals den Frieden über alles gestellt. Einem Mann, der mitverantwortlich für die Psychiatrisierung politischer Gegner war, sei - mit Unterstützung Willy Brandts - der Friedensnobelpreis verliehen worden. In Frankreich hätten junge intellektuelle Sozialisten die Frage nach den Menschenrechten und der Freiheit im Realsozialismus aufgeworfen und sich für die Freiheit entschieden - „dieses Wunder ist in Deutschland ausgeblieben“. Bei allem Respekt vor den deutschen Demonstranten in Leipzig - die Ungarn hätten die Grenze geöffnet.

Am Eingang warteten 20, 30 junge Leute, die bei „Kito kontrovers“ nicht zugehört hatten und sich nun auf ihre Weise zu Wort melden wollten. Als Geißler auf die Straße trat, flogen Steine und Flaschen - knapp an seinem Kopf vorbei. Buchhändler Otto: „Es war unwürdig.“ Am Kito entstand Sachschaden von einigen tausend Mark. Der Nord -Bremer CDU-MdBB Helmut Pflugradt machte gestern die „verfehlte Sicherheitspolitik des Senats“ für die Steinwürfe auf Geißler verantwortlich.

K.W.

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