: „Wir haben es ihnen wahrlich nicht leicht gemacht“
■ Zwei Gewerkschafterinnen zum Entwurf des Landesgleichstellungsgesetzes / „Sehr erfolgreich“ oder „nicht ausreichend“
Am Dienstag stellte die SPD-Fraktion den Entwurf eines „Landesgleichstellungsgesetzes“ vor (vgl. taz vom 29.8.). Vorausge hier bitte das Foto
von der Frau am Tisch Gisela Hülsbergen
gangen war ein einjähriges erbittertes Gerangel um einzelne Paragraphen. Denn zahlreiche Personalrätinnen hatten die erste Fassung, die von der Juristin der Frauen -Gleichstellungsstelle, Brigitte Melinkat, geschrieben worden war, abgelehnt, da sie bezweifelten, daß das Gesetz den Frauen im öffentlichen Dienst zu mehr und attraktiveren Posten verhelfen würde.
Die taz befragte die Gewerkschafterinnen Gisela Hülsbergen (ÖTV-Kreisvorsitzende und Mitglied im Gesamtpersonalrat)und Monique Troedel (IG-Medien, Betriebsrätin beim Weser-Kurier und Vorsitzende des DGB-Kreisfrauenausschusses).
taz: Ein Jahr lang habt ihr hartnäckig um den Gesetzentwurf gerungen. Warum?
Gisela Hülsbergen: Ein Jahr Rangeln war nötig, weil der Entwurf der Gleichstellungsstelle in vielen Punkten nicht unseren Vorstellungen entsprach. Die ÖTV und der Gesamtpersonalrat hat ihn deshalb ja auch abgelehnt. Unsere wichtigste Forderung war, daß die Frauenbeauftragte nicht vom Dienststellenleiter ernannt, sondern von den Frauen gewählt werden sollte - als Interessenvertreterin der Frauen.
taz: Hat sich das Kämpfen gelohnt?
Gisela Hülsbergen: Wir können feststellen, daß wir sehr erfolg
reich waren. Gerade in Bezug auf die Frauenbeauftragte.
In Bezug aber darauf, wie Frauen bei der Stellenvergabe bevorzugt berücksichtigt werden sollen, geht das Gesetz nicht über die bisher geltende Richtlinie hinaus. Es bleibt bei der Gummi-Formulierung, daß Frauen nur „bei gleicher Qualifikation“ zu bevorzugen seien. Die Grünen hatten vorgeschlagen, den Spielraum der Personalentscheider dadurch einzuschränken, daß ihnen vorgegeben wird, auf jeden Fall mindestens zu 70 Prozent Frauen einzustellen.
Gisela Hülsbergen: Dieser Auffassung, die bedeutet männliche Bewerber auf Jahre hinaus zu be
nachteiligen, kann ich mich nicht anschließen.
Wir sagen nicht: Das Gesetz entspricht hundert Prozent unseren Vorstellungen. Eventuell wird es auch noch weitere Proteste geben, bevor das Gesetz endgültig beschlossen wird.
„Noch immer kein ausreichendes Gesetz“
Ein Jahr Kampf um das „Landes-Gleichstellungsgesetz“. Bist Du mit dem Ergebnis zufrieden?
Monique Troedel:Wir halten es immer noch für kein ausreichendes Gesetz für Frauen. Sondern für ein in sicherlich einigen Punkten inzwischen verbessertes Gesetz. Aber trotzdem angelehnt an herr
schende Machtverhältnisse.
Die Frauenbeauftragte sitzt immer noch zwischen den Stühlen und ist doppelt abhängig, darunter auch von der Gleichstellungsstelle. Denn bei Konflikten wird der Senator und die Gleichstellungsstelle zwischengeschaltet. Dieses Gesetz ist vorerst nur für den öffentlichen Dienst und öffentlich-rechtliche Anstalten gedacht, aber wir erhoffen uns auch eine Signalwirkung auf den privaten Wirtschaftsbereich.
Wie das?
Monique Troedel: Wir werden versuchen, noch Verbesserungen hinzubekommen, bevor das Gesetz von der Bürgerschaft verabschiedet wird.
Der Gesetzentwurf will Frauen nur dann bevorzugen, wenn sie als „gleich qualifiziert“ gelten. Damit steht den Personalentscheidern wieder die altbekannte Gummiformulierung zur Verfügung.
Monique Troedel: Ja. In diesem Punkt gibt das Gesetz nicht mehr her als die Richtlinie. Obwohl wir fast ein Jahr daran am Arbeiten sind.
War der einjährige Kampf im Rückblick verlorene Liebesmühe?
Monique Troedel: Nein. Aus einem ganz einfachen Grund: Frauen haben über ihren Tellerrand hinaus ein gemeinsames Problem aufgenommen und gemeinsam diskutiert, gemeinsam zusammengehalten gegen dieses Gesetz und die Art und Weise, wie es durchgezogen werden sollte.
Wir haben es ihnen wahrlich nicht so leicht gemacht, wie sie es am Anfang geglaubt haben. Ich hoffe, es wird mal eine Zeit geben, wo solche Gesetze nicht mehr not tun. Gesetze für die Gleichbehandlung - so als wenn Frauen eine besondere Art von Menschen wären - sollten überflüssig sein.
Fragen: Barbara Debus
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