Hühnerkeulen? Würg!

■ Bei den US-Open geht die Gleichheit durch den Magen

Home, sweet home“, seufzt Mats Wilander beim Mittagessen im Spielercenter. Er läßt keinen Zweifel daran, daß er sich ab morgen im Hotel eigenhändig ein paar Stullen schmieren und sie auf die Tennisanlage mitnehmen wird. Die Cuisine in der Spielerkantine ist - der US Open-Tradition Rechnung tragend

-nicht gerade magenschleimhautfreundlich.

Hähnchenkeule mit Reis gibt es heute, für 25 US-Dollar pro Portion. Tabletten gegen Übelkeit gibt es beim Turnierarzt nebenan. Gratis immerhin. Vor dem Küchenchef sind sie eben alle gleich, ob Top-Ten-Spieler, Qualifikant oder Betreuer. Auch wenn die Tennisprofis vor laufenden Kameras fast ausnahmslos gerührt versichern, wie gern sie das Turnier in New York spielen - glauben möchte man es nicht so recht.

Ein Grand Slam Turnier muß halt spielen, wer etwas auf sich hält, was natürlich auch eine Menge mit Zahlen zu tun hat: Schöne 6.349.250 US-Dollar gibt es nämlich hier in diesem Jahr zu gewinnen. Das sind 24 Prozent (!) mehr als im vergangenen Jahr. Wer auch immer dieser Kerl sein mag, der für die Tennisstars die Tarifverhandlungen führt - die deutschen Gewerkschaften sollten sich ihn ohne Wenn und Aber krallen.

Ach ja, die Amerikaner wissen halt, was des Menschen Herz, besonders das eines Tennisspielers, begehrt. Bei so viel Moneten haben die Sportler beim Training in der vergangenen Woche auch recht gnädig darüber hinweggesehen, daß die Sportanlage in Flushing Meadows eigentlich die verlängerte Startbahn vom angrenzenden La Guardia Flughafen ist. Bis zu zwei Jets pro Minute donnern da täglich über die Tenniscourts, und zwar in einer derartigen Lautstärke und Tiefe, daß man jegliches Gespräch unterbrechen muß und innerlich mit seinem Leben abschließt.

New Yorks Bürgermeister David Dinkens hat allerdings in einem Brief an die Flugkontrollbehörde darum gebeten, während des Turniers doch bitte, bitte eine andere Flugschneise zu wählen. Es ginge doch schließlich um das Ansehen der Stadt in der Welt, blabla usw. Also, Humor hat dieser Mensch ja wirklich. Und tatsächlich hat sein Flehen Erfolg gehabt. Wenn ich ihn dieser Tage sehe, werde ich ihn bitten, doch eine Kopie des Schreibens an die Tiefflieger der Bundeswehr und US-Armee in der Bundesrepublik zu schicken.

Zumindest leuchtet jetzt ein, warum John McEnroe seit Jahren Linienrichterentscheidungen mit seinem berühmten „WHAT?!“ hinterfragt. Er hat schon zu oft auf der Startbahn gespielt. Zu sehen war Big Mac aber bisher noch nicht. Während des Turniers trainiert er nämlich zu Hause in Long Island, wo er mit Frau und Kind in einem recht stattlichen Anwesen mit Tennisplätzen residiert.

Einige amerikanische Spieler haben heute beim Essen in der Players Lounge das Gerücht verbreitet, daß „John Baby“ bisher nicht in Flushing Meadow üben durfte, weil Ehefrau Tatum noch immer wegen seiner Erstrundenniederlage im Wimbledon beleidigt sei und Ausgangssperre verhängt habe. Naja, bei Hähnchenkeule mit Reis und der Aussicht auf eine Magentablette kommt man schon auf allerlei Gedanken.

Ralf Stutzki