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Dem Pazifismus „gewaltfrei die Luft abdrehen“

■ Frankfurter Grüne diskutieren über die Golfkrise / Udo Knapp: „Ich bin kein Kriegstreiber“ / Ahmad Taheri warnt vor Gleichsetzung Saddam Husseins mit Hitler / Joschka Fischer fragt nach den Grenzen des Pazifismus / Cohn-Bendit: Auch der Krieg der USA gegen Deutschland war legitim

Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Die Offenbacher Initiative „Kein 4.Reich“ und der „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“ haben schon klar Position bezogen. Zusammen mit anderen linken Gruppen in Frankfurt rufen sie für den 1.September zu einer Demonstration für den Abzug „aller imperialistischen Truppen aus der Golfregion“ auf: „Falls vorher schon der Krieg ausbricht, treffen wir uns spontan am selben Tag um 17 Uhr an der Hauptwache.“

Die Teilnehmer einer Diskussion der Frankfurter Grünen taten sich am vergangenen Dienstag abend schwerer, intellektuell und politisch auf die neue „Weltlage“ zu reagieren. Der Journalist Ahmad Taheri warnte vor der rhetorischen Gleischsetzung Saddam Husseins mit Adolf Hitler. Dies entspreche eher den westlichen Bedürfnissen eines neuen Feindbildes als der Realität. Nach dem Ende des globalen Ost-West-Konflikts verkörpere Saddam für die arabischen Massen die Figur eines panarabischen Führers, eines Erlösers, der sie aus dem „toten Winkel“ der Weltpolitik und des Elends befreien könne.

Geschickt nutze Saddam die wachsende Kluft zwischen den arabischen Regimes und ihrer Bevölkerung, um die westlich -gottlosen Golfstaaten zu beseitigen und die islamische Bewegung mit dem panarabischen Nationalismus zu verschmelzen. Gleichwohl sei der Diktator in Bagdad Realist genug, um nicht alle diplomatischen Chancen wahrzunehmen.

Udo Knapp, Mitarbeiter der grünen Bundestagsfraktion in Bonn, wehrte sich gegen Vorwürfe, er sei „ein Kriegstreiber“, nachdem er öffentlich für ein aktives, auch militärisches Engagement der BRD im Golf-Konflikt plädiert hatte. Auch wenn das demnächst vereinte Deutschland „beileibe keine selbständige Weltmacht“ sei, stelle sich die Frage ihrer weltweiten Verantwortung jetzt neu: „Der Vergleich Saddam Husseins mit Hitler ist korrekt. Auch die Erinnerung an die Apeasement-Politik der Allierten gegenüber Hitlers Expansionsstrategie spielt dabei eine Rolle.“

Deshalb sei eine „deutliche Antwort der zivilisierten und demokratischen Welt“ erforderlich. Ob als „Weltpolizei“ oder „bewaffnete Friedenstruppen“, die Großmächte müßten im Rahmen der UNO Demokratie und Menschenrechte überall verteidigen - „oder wie soll man sonst so einen Verrückten aufhalten?“, rief Knapp in den Saal. Auch ein Wirtschaftsembargo funktioniere nicht ohne militärische Aktion. Gerade die Deutschen müßten sich die unbequeme Frage gefallen lassen, ob sie zuschauen wollten, wenn Saddam Hussein sich entschließen sollte, Israel mit Giftgasgrananten anzugreifen. Für den Augenblick aber reiche eine „logistische Unterstützung“ der westlichen Truppen durch die Bundesrepublik. „Die ist auch ohne Grundgesetzänderung möglich.“

Rupert von Plottnitz, Mitglied der Grünen im hessischen Landtag, erinnert an die Pflicht zum Kampf gegen jedwede Gewaltherrschaft, die nun im Widerspruch zur pazifistischen Überzeugung zu geraten drohe. Doch trotz des „westlichen Legitimationsdefizits“ - siehe Panama, Grenada, Libanon könnten alte Imperialismustheorien nicht darüber hinwegtäuschen, daß es historische Situationen geben könne, in denen „Gewaltlosigkeit nicht mit Gewaltlosigkeit zu verteidigen“ sei.

Kriegerische Handlungen müßten dabei die „ultima ratio“ bleiben. Einer „Logik des Krieges“, wie sie etwa in Frankreich fast herbeigeredet werde, müsse vor allem eine Logik des Rüstungsexportstopps entgegengesetzt werden: eine drastische Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetztes.

„So etwas habe ich noch nicht erlebt, seit ich bei den Grünen bin“, machte sich Bernd Ulrich Luft. Die letzte Landesdelegiertenkonferenz der NRW-Grünen, auf der gar der Parteiausschluß des „Kriegstreibers Knapp“ gefordert worden war, mußte der Fraktionsassistent Antje Vollmers wegen „akuter übelkeit vorzeitig verlassen“, wie er bekannte. Sein Begriff von der neuen „Weltmacht Deutschland“ sei der Versuch einer Analyse, kein politisches Ziel. Gegen die „ultima ratio“ Krieg, die nur zu einem „arabischen Schulterschluß“ führe, setzte er einen Pazifismus, der die „globalen Konflikte zivilisieren“ müsse. Ohne die Reflexion der „westlichen Bestialität“ gegenüber der „Dritten Welt“ werde es sowieso keine dauerhaften Konfliktlösungen geben.

Dany Cohn-Bendits Traum sind schlagkräftige „UN -Friedenstruppen ohne die USA, Frankreich, England und Deutschland“. Solange dies jedoch eine pazifistische Vision bleibe, müsse daran erinnert werden, daß der Krieg der USA „gegen die Deutschen“ legitim gewesen sei. „Was wir jedoch auf alle Fälle verhindern müssen, ist ein Krieg des Westens gegen den Islam, der katastrophale Folgen hätte.“

Auch Joschka Fischer warnte vor einer falschen „deutschen“ Akzentsetzung, vor einer „deutschen Wiedererweckung am Persischen Golf“. Die zentrale Frage sei: „Wie bewerten wir Geiselnahme? Wie Giftgaseinsätze? Wie gewaltsame Annexion?“ Auch grüner Pazifismus mache sich unglaubwürdig, wenn er der Frage der Sanktionsgewalt ausweiche. Bernd Ulrich rief er zu: „Auch mit der Wirtschaftsblockade drehst Du ihm sanft und gewaltfrei die Luft ab!“

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