: Ratlos unter der Senatskuppel
■ Das Fotoforum, einzige und international bekannte Fotografieadresse Bremens, weiß immer noch nicht, wohin
Das Fotoforum hängt und hängt und hängt. Die einzige Adresse in Bremen, die eine aktive öffentlich Auseinandersetzung mit Fotografie und Fotografiegeschichte ermöglicht, die seit 1986 im „Forum Sögestraße“ die spannendsten internationalen Fotoausstellungen in die Stadt geholt hat, muß raus aus ihren Räumen. Das ist klar, seitdem die Sparkasse die Häuser und das Land die Bilder der historischen Kunstgasse vom Erben ihres Gründer-Mäzens Roselius gekauft und der damalige Kultursenator Horst-Werner
Franke beschlossen hatte, die Ausstellungsräume des Foto -Forums im Paula-Becker-Modersohn-Haus in ein Museum der Malerin zurückzuverwandeln. Fotoforums Herz und Kopf, Wolfgang Stemmer, erfuhr von dem Rausschmiß aus der Presse.
Das war 1988. Seither lebt die Fotogalerie unter dem Kündigungsschwert. Wenn es nach dem Senat gegangen wäre, wäre das längst herabgestürzt. Aufgehalten hat es nur die schützende Hand von Friedrich Rebers vom Vorstand der neuen Besitzerin Spar
kasse. Rebers zögert, einer umtriebigen und erfolgreichen Initiative zu kündigen, bevor die Stadt nicht für eine Raumalternative in der Innenstadt gesorgt hat. Die ist jetzt gefunden, sie liegt ganz in der Nähe des jetzigen Forums Sögestraße in einem Gebäude der Post und kostet 340.000 Mark Jahresmiete.
Das Forum, noch mit Schulden behaftet, die z.T. von einem unfairen Geschäftspartner der vergangen Jahre stammen, kann das nicht zahlen. Es hat dem Senat im März einen Antrag eingereicht, in
dem es außer der Miete noch für vier Stellen und Sachmittel Geld verlangt, insgesamt 935.000 DM. Seitdem passierte nichts. Allenfalls eine Verhandlung mit Senatsverantwortlichen. Nach der letzten am vergangenen Mittwoch war ein Wolfgang Stemmer anzutreffen, der resigniert feststellen mußte: die Herren hatten nicht mal das Papier gelesen, das man ihnen vor einem halben Jahr vorgelegt hatte. Daß der Behörde das Beantragte zu happig ist'ist klar. Aber sonst nichts. Kein Ergebnis, kein Alternativvorschlag, kein Zeit-und Verfahrensplan. Das Forum hängt.
Aber nicht mehr lange. Auch Wolfgang Stemmer, im In-und Ausland bei den Fotografiefexen ein Begriff und eine Adresse, seit 1982 in Bremen mit und für die Fotografie und gegen den Wahn zugange, daß sie die Wirklichkeit abbildet, will noch bis zum Jahresende abwarten. Dann ist es genug. „Wir meinen es wirklich ernst mit der Fotografie. Und wenn die Behörde es nicht meint, das soll sie das sagen.“
Stemmer, der bildende Kunst studiert hat und Erwachsenenpädagogik auch, hatte schon immer ein bißchen mehr mit Fotografie vor, als sie einfach hinhängen. Im Fedelhören hat er 1982, am Anfang zusammen mit elf anderen, eine Foto-Produzentengalerie angefangen, die schon bald dazu überging, unbekannte und Avantgarde-Fotografen aus ganz Europa vorzustellen. Und vorstellen hieß: Ausstellen, bespre
chen, der öffentlichen Kritik aussetzen, deren aktiver Teil der theorielibidinöse Stemmer immer war. Dazu gehörten workshops. 1989 hat er Fedelhören schließen müssen, die Miete wurde verdoppelt. Aber für diese Arbeit soll es wieder Raum und Mittel im neuen Gebäude geben.
1986 begannen dann die großen internationalen Ausstellungen im „Forum Böttcherstraße.“ Stemmer holte, oft aus New York, was qualitativ gut ist. Im Jahresdurchschnitt zählt das Forum 70.000 BesucherInnen, die Kunsthalle nur 10.000 mehr. Die hat einen Millionen-, das Foto-Forum eine Null -Subvention. Das, und die auch hier wieder beklagte kulturelle Ignoranz der Kultursenatorialen, die einfach sich nichts angucken, was alle großen Tageszeitungen mit Aufmerksamkeit verfolgen, das wurmt.
Dabei gab es wirklich alles alles, nicht nur die spektakulären Shows, wie “ Aktfoto“ (29.000 Besucher) und Helmut Newton. Es gab zu Beginn Shomeij Tomatsus Bilder über die japanische Nachkriegsgeschichte. Als die eröffnet wurde, ereignete sich Tschernobyl, und die Leute kamen und kamen. Und es gab die wunderschöne Parallelausstellung von Ruth Bernhard und Karin Szekessy. Wir brauchen das Das Foto -Forum.
Uta Stolle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen