: Vorbeugen gegen eine neue Landserromantik
■ Die „Topographie des Terrors“ erinnert mit einer Ausstellung an den deutschen Überfall auf die UdSSR
Berlin. Ein bißchen gegen den Zeitgeist“ sei das Projekt, „aber deshalb um so nötiger“, stellte der Westberliner Geschichtsprofessor Dr. Reinhard Rürup vor der Presse fest und erläuterte als wissenschaftlicher Leiter das Konzept einer Ausstellung, die die Berliner Festspiele zum 15. Juni nächsten Jahres zeigen wollen. Der Krieg gegen die Sowjetunion ist als Beitrag Berlins zum 50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 gedacht und wird bis Dezember 1991 in der Dokumentationshalle Topographie des Terrors am ehemaligen Gestapo- und SS-Gelände neben dem Martin-Gropius -Bau zu sehen sein.
Währenddessen wird die Dauerausstellung überarbeitet. Von hier aus, dem Sitz des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes, wurden die SS-Einsatzgruppen im Osten gesteuert, hier wurde ein Rassen- und Vernichtungskrieg, wie es ihn in diesem Ausmaß vorher nicht gegeben hatte, von Anfang an präzise durchgeplant. Die AusstellungsmacherInnen wollen mit ihrer historischen Dokumentation an die 27 Millionen Toten auf sowjetischer Seite erinnern. Zugleich geht es ihnen darum, den deutschen Überfall als Kulminationspunkt einer bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Feindbildtradition sowie aus der schon vor dem Nationalsozialismus existierenden Ideologie des „deutschen Lebensraums im Osten“ herzuleiten. In Briefen und Fotos sollen neben der Kriegs- und Motivgeschichte die alltägliche Kriegserfahrung deutscher und sowjetischer Soldaten, das Schicksal der russischen Zivilbevölkerung und sowjetischen Zwangsarbeiter thematisiert werden.
Zu diesem Zweck arbeitet das Team mit Moskauer und Leningrader Museen und Archiven der UdSSR zusammen, die bisher großes Interesse signalisierten. In der Sowjetunion wird gerade die bislang verklärte Geschichte des „Großen Vaterländischen Kriegs“ umgeschrieben. Mit der Eroberung Berlins durch die Alliierten, die nicht nur die Befreiung von der Nazi-Diktatur, sondern auch sowjetische Exzesse, Flucht und Vertreibung mit sich brachte, soll die Ausstellung jedoch nicht enden. Die Dokumentation von Erinnerungs- und Verdrängungsprozessen der Nachkriegszeit soll einer sich womöglich einschleichenden Landserromantik vorbeugen.
DoRoh
Für die Ausstellung werden noch Briefe, Zeugnisse und Fotos, die subjektiv den Kriegsalltag beleuchten, gesucht. Materialien können im Büro der „Topographie des Terrors“, Stresemannstraße 110, 1/61, Tel. 25486703, abgegeben werden.
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