: Die Elite der DDR-Armee
■ „Klartext“, Mi., DFF2, 21.25 Uhr
Bei den Paraden marschierten sie stets an der Spitze, äußerlich erkannte man sie schon von weitem an ihren orange -roten Baretten - die „Luftlandetruppen“ der NVA waren die Elite der DDR-Armee. Luftlandetruppen - auch dieses Wort eine DDR-Schöpfung - sind Fallschirmjäger mit Rangerausbildung. In der Sendereihe „Klartext“ brachte der Deutsche Fernsehfunk am Donnerstag einen Filmbericht über eine Einheit dieser „Lieblingstruppe Honeckers“.
„Jeden Gegner schnell und lautlos zu töten - nichts besonderes für Fallschirmjäger“, erklärt die Sprecherstimme teilnahmslos, während man die Soldaten dabei beobachten kann, wie sie bemüht sind, diese humane Aufgabe mit voller Konzentration einzustudieren.
Wie alles in der DDR, so befindet sich auch die NVA in der Auflösung. Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen zuverlässig, auch im totalen Chaos funktioniert die Erfassung der Wehrpflichtigen reibungslos, erreichen die Einberufungsbefehle pünktlich den Empfänger. Und ebenso faszinierend: Wie eh und je halten sich auch die Betroffenen an das Ritual und spielen mit.
Die Begründung der Neuankömmlinge in der Kaserne Lehnin bei Potsdam für ihr Erscheinen kann wohl nur noch auf den ersten Blick erschrecken. „Naja“, gibt einer zur Antwort, „weil man eben muß, wa?“ Und warum nicht Zivilersatzdienst statt Mordausbildung? „Weil ich keine Lust habe, alten Omas den Hintern zu wischen.“
Der Geist der Truppe hat natürlich etwas gelitten in diesen Umbruchzeiten, der ehemalige Politoffizier ist sieht heute alles selbstverständlich ganz, ganz anders, und so manchen Rekruten nervt es etwas, daß er innerhalb von ein paar Monaten unter Umständen drei verschiedene Eide schwören muß.
Auch daß die Kokarde nun statt Hammer, Zirkel, Ährenkranz bloß noch simples Schwarz-Rot-Gold aufweist, stört außer der Näherin, die die Mützen „modernisieren“ muß kaum einen. Nur diese scheint sich Gedanken zu machen, scheint etwas verloren zu haben: „Hammer und Sichel, das war doch was von uns.“ Sonst scheint alles beim alten. Und wenn es momentan auch an einem ordentlichen Feindbild mangelt, was macht das schon.
Aufhören will keiner. Die Politschulung hätte man sowieso nur an sich vorbeirauschen lassen, wichtiger war, sich hier „als Mann bestätigen“ zu können.
Zukunftsangst hat von diesen zum leisen Mord augebildeten Soldaten, die nach Aussage einer ihrer Offiziere im Herbst '89 bereits auf dem Sprung standen, die Leipziger Demonstrationen „aufzulösen“, kaum einer. Sie Beherrschen ihr Handwerk und haben sich deshalb immer schon mal umgesehen: Wach- und Schließgesellschaft oder Fremdenlegion zum Beispiel bieten allemal eine gesicherte Perspektive. Und die Bundeswehr ja sowieso.
Olaf Kampmann
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