piwik no script img

Zugesagte Ausreise aus Irak verzögert

■ Saddam Hussein verlangt, daß die Flugzeuge für die ausreisenden Frauen und Kinder Lebensmittel in den Irak bringen / Gespräche mit de Cuellar verzögern sich / Guerillatruppe in Kuwait aktiv?

Amman/Washington (ap/afp/dpa) - Die von Bagdad zugesagte Ausreise ausländischer Frauen und Kinder verzögerte sich auch gestern weiter und kann möglicherweise nicht vor dem morgigen Samstag beginnen. Die irakischen Behörden machen die Landegenehmigung für Flugzeuge, die die westlichen Ausländer abholen sollen, jetzt davon abhängig, daß die Maschinen im Gegenzug Lebensmittel und Medikamente in den Irak bringen. Zwar wurde bis gestern nachmittag noch keine Ausreisevisa erteilt, nach Korrespondentenberichten sind aber westliche Diplomaten in Bagdad aufgefordert worden, die Pässe ihrer Frauen und Kinder einzusammeln.

Die Gespräche zwischen UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar und dem irakischen Außenminister Tarik Aziz begannen nicht wie vorgesehen gestern, sondern werden erst heute in der jordanischen Hauptstadt Amman stattfinden. Nach Informationen aus jordanischen Regierungskreisen wurde Perez de Cuellar gestern nachmittag auf dem Flughafen in Amman erwartet, während Aziz nicht vor heute morgen eintreffen soll. Gründe für die Verlegung des Termins wurden nicht genannt.

Perez de Cuellar will bei seinem Gespräch mit Aziz nicht über den Inhalt der Resolutionen des Weltsicherheitsrats verhandeln, die den irakischen Abzug aus Kuwait, die Wiedereinsetzung der legalen Regierung des annektierten Emirats und die Freilassung der Geiseln vorsehen. „Das ist nicht meine Sache, und ich will das ganz klar machen“, sagte Perez gestern vormittag nach einem Gespräch mit dem französischen Außenminister Dumas in Paris, wo er auf seiner Reise nach Jordanien einen Zwischenaufenthalt einlegte. Er werde strikt im Rahmen der UNO-Resolutionen verhandeln, um ihre Anwendung zu erreichen. Außerdem wolle er sich auf humanitärer Ebene für die im Irak und Kuwait festgehaltenen Ausländer einsetzen. Nötigenfalls will Perez auch nach Bagdad reisen und den irakischen Staatschef Saddam Hussein persönlich treffen, „falls das für unsere Sache absolut notwendig ist“. Jordanien wird an den Gesprächen zwischen Perez und Aziz nicht beteiligt sein. Dies teilte ein hoher jordanischer Vertreter mit.

Ebenfalls gestern wollten sich in Kairo die Außenminister der arabischen Liga wegen der Golfkrise erneut zu einer Sondersitzung treffen. Dazu fanden sich jedoch nur Vertreter von zwölf der 21 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga ein. Wichtige Länder wie der Irak, Jordanien und Libyen sowie die PLO haben keine Vertreter zu der Dringlichkeitssitzung entsandt. Ein ebenfalls für gestern geplantes Treffen der Außenminister der Maghreb-Staaten wurde ohne Angabe von Gründen auf den kommenden Dienstag verschoben.

Der irakische Präsident Saddam Hussein hat am Mittwoch abend gegenüber dem US-amerikanischen Fernsehen dementiert, er habe Friedensfühler in Richtung USA ausgestreckt und einen Rückzug aus Kuwait angeboten. „Kuwait ist Teil Iraks,“ sagte der Staatschef, „wir haben dies gesagt und die Legislative Iraks hat klare Entscheidungen getroffen.“ Der Bagdader Präsident schloß aber „neue Ideen“ bei den Bemühungen um eine Beilegung des Konflikts nicht aus.

Ab morgen wird Jordanien die Rationierung von Lebensmitteln einführen. Der jordanische König Hussein hatte die Bevölkerung bereits am 12. August vor Hamsterkaufen und deren Folgen gewarnt.

Am Mittwoch abend haben syrische Sicherheitskräfte die beiden Städte al-Hassakeh und Deir as-Sor, die in der Nähe der irakischen Grenze liegen, umstellt. Wie aus Amman zu erfahren war, war es am Mittwoch nachmittag in den beiden Städten zu gewalttätigen pro-irakischen Kundgebungen gekommen. Die Sicherheitskräfte, deren Zahl sich auf 50.000 Mann belaufen soll, drohten auf die Demonstranten zu schießen, falls sie sich nicht zerstreuten. Reisende berichteten, es habe in der Region bereits Tote gegeben.

Wie einem Bericht der US-Fernsehgesellschaft NBC zu entnehmen ist, unternimmt eine vom US-Geheimdienst CIA instruierte kuwaitische Widerstandsgruppe täglich Sabotage -Akte gegen die irakischen Invasionstruppen. Die einige tausend Mann starke Truppe sei, so NBC, in Saudi-Arabien stationiert und überquere nachts die Grenze.

Während eine internationale Armada im Golf über die Einhaltung des gegen den Irak verhängten Embargos wacht, erscheint die Handelssperre etlichen libanesischen Händlern als ein Geschenk des Himmels. So wurde von Geschäftskreisen in Tripolis erklärt, es gäbe in der christlichen Enklave Libanons eine Händlergruppe, die in großem Umfang Nahrungsmittel aufkaufe und dann über Drittländer in den Irak liefere. Ähnlich wie noch vor wenigen Wochen der Waffennachschub für die Truppen des christlichen Generals Aoun erfolgte, werde nun der Schmuggel in der Gegenrichtung betrieben. Ausländische Experten schätzen, daß der Irak Getreidevorräte für etwa zwei und Reisreserven für etwa drei Monate angelegt hat. Zudem erwarte das Land, das 1989 auf Nahrungsmitteleinfuhren im Wert von drei Milliarden US -Dollar angewiesen war, eine vergleichsweise gute Ernte.

Der Kommandeur der irakischen Luftwaffe hat gestern Israel für den Fall eines Krieges am Persischen Golf ebenfalls mit einem Angriff gedroht, berichtete Iraks Nachrichtenagentur.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen