: Vögel leiden unter deutscher Einheit
■ Wirtschaft drängt in die neuen Schutzzonen am ehemaligen Grenzstreifen
Schwerin (ap) - Der Natur in Mecklenburg tut die deutsche Einigung nicht gut. Die Erklärung weiträumiger Flächen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zu Landschafts- oder Naturschutzgebieten stieß zwar auf breite Zustimmung. Jetzt aber häufen sich die Probleme, diese entsprechend ihrer neuen Funktion auch zu behandeln. Im Elbtal, das derzeit ein Dutzend streng geschützter Gebiete umfaßt, kollidieren zunehmend wirtschaftliche und Naturschutzbelange.
Ralf Labes, Leiter des Naturschutzamtes Schwerin, beklagt, daß die Elbe mit dem Wegfall der Grenze bedeutend stärker als Wasserstraße für den Gütertransport und den Wassertourismus genutzt werden soll. „Dadurch, daß in der Vergangenheit nachts auf der Elbe als Grenzfluß jeglicher Verkehr ruhte, bildete sich einer der bedeutendsten Rastplätze Mitteleuropas für die Zugvögel heraus, der jetzt in akute Gefahr gerät.“ Zusammen mit der Leitung der Vogelwarte Hannover unterbreitete Labes den Vorschlag, daß Frachtschiffe die Elbe bei Magdeburg verlassen sollen, um über den Elbseitenkanal Richtung Norden zu fahren.
Ein weiteres Problem tut sich am Schalsee auf, wo in Zarrenthin ein bundesdeutscher Unternehmer aus Cuxhaven ein großes Hotel in der Uferzone bauen will und darüber mit dem Bürgermeister schon weitgehende Übereinkunft erzielt hat. Labes und seine Mitstreiter wollen dagegen angehen. „Hier stehen eindeutig finanzielle Dinge im Vordergrund, aber deswegen darf es nicht zu Verletzungen des Naturschutzgesetzes kommen“, legt er ihre Ansicht dar, „zumal ein störender Stallkomplex der dortigen LPG ohnehin aus dem Stadtgebiet verschwinden müßte und sich dort der Bau des Hotels anbieten würde.“
Doch nicht nur Sorgen dieser Größenordnung haben die Schweriner Naturschützer. So gibt es viele kleine Umweltsünder, die aus Mangel an ausgebauten Wasserrastplätzen und Campingmöglichkeiten wild in den Naturschutzgebieten logieren und die in seltener Reichhaltigkeit vorhandene Tierwelt stören sowie die Botanik durch Lagerfeuer und Verschmutzung gefährden. Jüngstes Beispiel waren mehrere mit fettem Schweinefleisch versenkte Plastiksäcke, die den zum Naturschutzgebiet Schalsee zählenden Röggeliner See zu verpesten drohten. Naturschützer bargen die Säcke. Jetzt ermittelt die Kriminalpolizei.
Ein Lichtblick für wirksamere Kontrollen und Überwachung ist die Einrichtung einer Naturschutzstation, die ab heute ihre Arbeit für das Elbtal in Tripkau aufnehmen soll. Die Bezirksverwaltung hat kürzlich das Geld für dieses Projekt genehmigt. Jeweils drei Naturschutzwarte und wissenschaftliche Mitarbeiter sollen dort für die Belange der Natur gegen die Begehrlichkeiten der Wirtschaft ins Feld ziehen.
L.J.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen