Wählerbetörung & Mülldeponie

■ Betr.: „Ein Kohlhaas im SPD-Filz oder: Die plötzliche Einsamkeit des Ulrich Barth“, taz v. 19.6.1990

Ihr Artikel über die Auseinandersetzung im SPD-Beirat Horn -Lehe hat mir schwer zu denken gegeben - allerdings nicht in dem Sinne, wie dieser suggeriert: nämlich den Abbruch einer „hoffnungsvollen“ SPD-Karriere zu bedauern, sondern i.S. einer handfesten Kritik an der SPD einschließlich ihrer idealistischen Verbesserer. Statt des unerschütterlichen Glaubens an die SPD und seiner Bewahrung mittels allen „satzungs- und verfassungsrechtlichen Mitteln“ könnte man aus neun Jahren SPD-Mitgliedschaft und -Erfahrungen durchaus Anderes lernen: Zunächst einmal fällt auf, daß die SPD-Zuständigen in Horn-Lehe jemendem übel genommen haben, daß er die Verfolgung irgendwelcher Sonderinteressen (Stichwort: Horner Altmülleponie) und dabei das Zusammentun mit politischen Gegnern der SPD wichtiger genommen hat als die wirklichen staatstragenden Anliegen der Sozis, bzw. statt Bürgerinitiativen die für die SPD zu vereinnahmenden Naturschutzideale und dgl. zum politischen Zweck erhoben hat. Statt dies jedoch einmal als Kritik festzuhalten, daß die SPD das Durchsetzenwollen noch so harmloser Bürgerinteressen bereits als parteischädigendes Verhalten einstuft, also diejenigen mit Ausschluß bedenkt, die sich nicht umstandslos dem Gemeinde- bzw. Staatswohl unterordnen, bzw. daran ihre Interessen relativieren, hat so ein Demokratieidealist wie U. Barth die Vorstellung, daß die Satzungen und demokratischen Normen der SPD eigentlich die Pflege demokratischer Idealismen zulassen müßten. An diesen demokratischen Idealismen kann ich nichts gutheißen; sie stellen vielmehr einen einzigen Fehler und eine einzige Verharmlosung der SPD-Politik dar:

1. die Sache mit den Gemeindeposten: so ein Idealist wie er hat die Vorstellung, daß eine ordentliche Bewerberliste hergehört - womöglich mit gediegenen Qualifikationsmerkmalen wie Befähigung zu „messerscharfen Rückschlüssen“ a la Barth

-statt mal zu bemerken, daß allein Kriterium dafür ist, daß sich jemand mit der gebotenen Rücksichtslosigkeit um den Erfolg der Partei und des Staates verdient gemacht hat: bei der Wähler-Betörung, bei der Durchsetzung von Staatsmaßnahmen gegen das Volk usw.

2. die Geschichte mit der Mülldeponie: hier hat ein Naturidealist die Vorstellung, daß der Staat auch immer schön für eine saubere Abfallbeseitigung sorgt - statt mal zu kritisieren, daß es dem um nichts als eine kostengünstige Benutzung der Natur als Müllhalde geht und er darüber hinaus durchaus einen gewissen Grad an Verunreinigung von Grundwasser o.a. in Kauf nimmt.

Manfred Franke, 2800 Bremen 1