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„Ich hatte Probleme mit Liebesszenen“

■ Die Berliner Drehbuchwerkstatt - Gespräche mit TeilnehmerInnen und AusbilderInnen

Am vergangenen Donnerstag ging die vierte Berliner Drehbuchwerkstatt zu Ende (siehe auch taz vom Samstag). Beim abendlichen Schlußempfang in der Akademie der Künste (West), konnten zehn AutorInnen, die „den Beruf des Drehbuchautoren“ anstreben, sich noch einmal austauschen darüber, wie's denn nun war. Filmproduzenten waren auch dabei.

Drehbuchschreiber oder solche, die es werden wollen, hatten es bisher schwer in Deutschland. Es gab keine Ausbildung, es gab keine Dozenten, es gab keine Lehrbücher, und bei der letzten Novellierung des Filmförderungsgesetzes sollte auch die Drehbuchförderung abgeschafft werden. An den Filmhochschulen sollen Regisseure ausgebildet werden. Das Drehbuchschreiben kommt dort nur am Rand vor. Drehbuchschreibworkshops, die es ab und an, landauf, landab gibt, sind zu kurz, als daß die Teilnehmer genug lernen könnten.

So entschloß man sich 1986 zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft der Drehbuchautoren e.V.“ mit Sitz in Berlin, die seit zwei Jahren die achtmonatige Werkstatt veranstaltet. Seitdem ist sie auch Trägerin der Werkstatt.

Bewerben konnte sich zunächst jedeR im deutschsprachigen Raum. Das wurde ihnen dann jedoch ein wenig zu viel. Denn auch der ältere Mensch - über achtzig - fühlte sich zum Drebuchschreiben berufen. So begrenzte man das Bewerberalter auf 35 Jahre.

Finanziert wird die Werkstatt vom Senat mit jeweils 300.000 Mark. Jedes Jahr muß das Geld - mehr als die Hälfte davon sind Stipendiengelder - neu beantragt werden. Es gibt keine festen Stellen. Die Spesen und Reisekosten der beteiligten Betreuer, zu zwei Dritteln Kleines Fernsehspiel-Redakteure der regionalen Fernsehprogramme, tragen die Sender. Die Jury bekommt grade mal eine Aufwandsentschädigung. Die organisatorische Arbeit wird allein von Regina Werner, Redakteurin beim SFB, auf Honorarbasis als Nebentätigkeit erledigt. So ist die kontinuierliche Arbeit der Werkstatt nur notdürftig gewährleistet. „Man kann nicht über eine Sekunde hinausplanen in Bezug auf Dozenten und sowas... man wird wahnsinnig, hat keinen Urlaub.“ Räume lassen sich nur schwer finden, auch wenn man jetzt einen Münchner Sponsor, der für die Miete aufkommen will, gefunden hat. Bislang zogen sie als Nomaden durch die Stadt.

Die erste Werkstatt begann noch mit mit zehn Seminartagen; „jetzt sind wir bei 30“, sagt Regina Werner. Das ganze ist ein Learning-by-doing-Programm, in dem die DozentInnen eigene Schwerpunkte setzen. In ihren Vorträgen und Seminaren geht es um Filmstruktur, „die ganze Geschichte vom Theaterschreiben bis heute, von Aristoteles bis Bresson usw.“. Außerdem gibt es Kompaktseminare, die manchmal zwei Wochen dauern. Szenen werden gemeinsam geschrieben: „Mache bitte aus XYZ einen Dialog.“ Das Hauptgewicht liegt in der Zusammenarbeit.

Am Ende mehrfacher Umarbeitungen steht die Inszenierungswoche, und „nun fallen die Autoren aus allen Himmeln, wenn's den Schauspielern nicht gefällt.“ Die AutorInnen, so Frau Werner, könnten sich allerdings nicht rausreden mit schlechten Schauspielern. An den Inszenierungen ist nur Erste Wahl von Volksbühne, Schaubühne, Schillertheater beteiligt. „Und der Autor steht da und sagt: 'Oh, das wollte ich aber nicht.‘.“ Eine Stipendiatin meint, daß die Autoren mit den Inszenierungen zu wenig zu tun haben. Außerdem würde der Regisseur nur die Szene, nicht das ganze Drehbuch kennen. „Das geht oft ganz schön in die Hose. Das heißt, daß Leute plötzlich eine Szene inszenieren, die du gar nicht ausgewählt hast. Dann kriegst du erstmal einen Schock. Bei mir hat das zum Beispiel dazu geführt, daß ich eine Szene rausgeschmissen habe. Das war 'ne Liebesszene, und es ist schon Scheiße, wenn in der rührendsten und peinlichsten Liebesszene alle lachen.“ Es werde halt wie im Theater inszeniert. Doch um das richtig, „mit Video oder so zu machen, ist zu wenig Zeit und Geld da.“ Am liebsten würde sie selber inszenieren.

Drehbuchschreiben sei ganz literarische Arbeit, erzählt eine andere Stipendiatin. Als erstes hat sie gemerkt, daß ihre Dialoge zu lang waren. „Und daß in Bildern zu schreiben, was ganz anderes ist.“ Nach vier Monaten war bei ihr „die absolute Ätze eingetreten. Ich hatte keine Lust mehr, an meinem Drehbuch zu schreiben. Hatte viel verloren von meiner Grundidee. Jeder gibt ja auch in der Werkstatt seinen Senf dazu. Und ich bin eigentlich jemand, der nie seine Texte gezeigt hat. Was ich schreib, das ist für mich eigentlich so was wie 'n Kind, und wenn dann jemand sagt, das ist Scheiße, wirst du vollkommen verstört.“ Bei der Drehbuchwerkstatt hat sie gelernt, daß konstruktive Kritik einen weiterbringt. Andere StipendiatInnen fühlen sich vom „Geniegedanken heruntergebracht“ und erkennen, daß das Drehbuchschreiben in erster Linie ein Handwerk ist. „Du kannst kein Genie sein, wenn du nicht auch das Handwerk beherrschst.“

Die Metapher vom Kind, angewandt auf die entstehenden Drehbücher, findet sich auch in den Bemerkungen im Verhältnis 1:1 (auf jedeN Stipendiate/inn kommt ein Betreuer) betreuenden BetreuerInnen.

Im Verhältnis zum für die Bewerbung eingereichten Expos sind die Drehbücher am Ende „ziemlich verändert“. „Mein Drehbuch hat mehr drive gekriegt, und ich trau mich jetzt auch mehr“, erzählt eine Kurzgeschichtenschreiberin. „Vorher war so gut wie keine Erotik drin. Ich hatte Probleme mit Liebesszenen. Alles detailliert aufzuschreiben ist ja etwas anderes, als sich so was auszudenken. Und das hat die Drehbuchwerkstatt auf jeden Fall aus mir herausgekitzelt; daß ich mich jetzt traue auf den Punkt zu kommen. Man kann beim Drehbuchschreiben eben, anders als bei der Kurzgeschichte, nicht wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen.

200 bis 300 AutorInnen bewerben sich jedes Jahr mit „Originalideen“, Treatment usw. 20 bis 30 Leute werden zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, und zehn kommen schließlich in den Genuß des Stipendiums. Mehrfachbewerbungen, von vielen Leuten, die immer in der engeren Auswahl waren und schließlich genommen wurden, weisen, so Regina Werner, darauf hin, daß die Auswahl bei wechselnder Jury, nicht so willkürlich sei, wie manche glauben. Daß in jedem Jahr drei bis vier von der DFFB genommen werden, „war nie gewollt, weil man ja Autoren, nicht unbedingt den Autorenfilm, fördern wollte“.

Der Senat gibt für den Output das Geld. Eine der Auflagen für das Stipendium ist, daß man das fertige Drehbuch Berliner Produzenten anbietet. Weithin sichtbar soll die Berlinfilmeproduktion gefördert werden. Über 50 Prozent der Leute, die hier ausgebildet wurden, arbeiten in dem Beruf. Im letzten Jahr wurden drei Stoffe verfilmt. Andere kriegen dann Aufträge über Kontakte, die sich dort entwickeln. Was aber eigentlich wichtig sei, so Regina Werner, sei nicht das meßbare Resultat, sondern „daß Autoren langsam hereinwachsen in ihre Arbeit.“ Und manchmal geht das besser, manchmal schlechter.

„Man versucht, Leute zu fördern, die über Individualität oder Originalität verfügen. Wenn gleich ein Film herausspringt - um so besser.“

Detlef Kuhlbrodt

1991 findet wahrscheinlich die nächste Werkstatt statt. Bewerbungsunterlagen bei der Arbeitsgemeinschaft der Drehbuchautoren, Postfach 19 13 80, 1/19.

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