: Trendwechsel bei Berliner Liberalen
■ Linksliberale Carola von Braun auf dem Vereinigunsparteitag der FDP zur neuen Vorsitzenden gewählt / Delegierte aus Ost-Berlin wählten Oxfort ab
Berlin. Trendwechsel in der Berliner FDP und möglicherweise der erste Schritt in Richtung sozialliberale Koalition: Auf dem Vereinigungsparteitag der Berliner Liberalen aus Ost und West hat sich am vergangenen Sonnabend überraschend die Linksliberale Carola von Braun (47) gegen den bisher amtierenden Vorsitzenden Hermann Oxfort (61) durchsetzen können. Von Braun, die als Frauenbeauftragte im rot-grünen Senat arbeitet, lag nach einer Kampfabstimmung mit 447 von 716 Stimmen klar vor dem Konservativen Oxfort, den nur 259 Delegierte unterstützten.
Die Westberliner FDP war im Januar 1989 an der Fünf-Prozent -Hürde gescheitert, sie bekam nur 3,9 Prozent der Stimmen. Obwohl die Liberalen in Ost-Berlin einen Vertreter im Parlament sitzen haben, fiel ihr Ergebnis bei den Stadtverordnetenwahlen im Mai dieses Jahres noch schlechter aus. Der Bund Freier Demokraten und die Ost-FDP schafften zusammen nur 2,2 Prozent. Mit der Linksliberalen an der Spitze hoffen die Liberalen nun auf „Stimmenzuwachs von der SPD und Teilen der AL“, wie ein Funktionär gegenüber der taz erklärte.
Die neue Vorsitzende, die sich bereits vor anderthalb Jahren - erfolglos - um den Parteivorsitz beworben hatte, wurde vor allem von den Delegierten aus Ost-Berlin unterstützt. Während Oxfort in seiner Kandidatenrede vor allem den rot-grünen Senat kritisierte, sprach sich von Braun dafür aus, das „vernachlässigte sozialpolitische Profil“ der FDP wieder stärker zu entwickeln. „Das hat offenbar bei den 550 Ost-Berliner Delegierten zu dieser Entscheidung geführt“, erklärte Carola von Braun gegenüber der taz. Die Ostberliner Liberalen verfügen mit 5.000 Mitgliedern über rund doppelt so viele Beitragszahler wie ihre Parteifreunde im Westen und brachten eine entsprechend höhere Anzahl von Delegierten mit in den Vereinigungsparteitag. Der Ostberliner Liberale Wolf-Rainer Cairo wurde zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Hermann Oxfort, der während seiner Amtszeit mit seinen Äußerungen zur Deutschen Einheit mehrmals die CDU rechts überholt hatte, lehnte eine Kandidatur zum stellvertretenden Parteivorsitz ab. Zum zweiten Partei-Vize kürten die Delegierten den Rechtsliberalen Günter Rexrodt, der im CDU/FDP Senat Wirtschsaftsminister gewesen war.
Über eine nun wahrscheinlicher gewordene sozialliberale Koalition nach Gesamtberliner Wahlen wollte sich Carola von Braun gegenüber der taz noch nicht äußern. Die politische Landschaft Berlins sähe am Abend des 2. Dezember möglicherweise so verändert aus, „daß die Koalitionsfrage jetzt zunächst einmal die großen Parteien beantworten müssen“, sagte von Braun in einem Interview mit der taz.
Von Brauns Kontrahent Hermann Oxfort hatte während seiner Amtsperiode versucht, die Partei auf stramm-rechten Kurs zu trimmen. Selbst gemäßigten Liberalen, wie dem Ex -Parteivorsitzenden Walöter Rasch, verwehrte er den Einzug in wichtige politische Gremien und hievte stattdessen sogenannte Nationalliberale auf entsprechende Posten.
ccm
Siehe auch Interview auf Seite 2 und Kommentar.
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