: Regie im Maßanzug mit Hut
■ West 3 widmet (dem Regisseur) Max Ophüls eine 10teilige Filmreihe
Das Schwarzweißfoto lebt von harten Kontrasten. Als Silhouetten sieht man auf einer Schiffsbühne links zunächst eine schwere 35-mm-Kamera auf einem Wagen mit Kameramann und zwei Assistenten. Halbrechts schaut ein Mann mit dem Rücken zum Fotografen zu. Rechts schaut der Regisseur zu. Er trägt einen eleganten Hut und umfaßt mit seinem Zeigefinger eine Zigarre. Durch die Takelage werfen die Scheinwerfer ihre Lichtbündel in die Szenerie. Das Foto zeigt Max Ophüls während der Dreharbeiten zu seinem letzten Film Lola Montez, den er 1955 fertigstellte. Über dieses Foto hat er einmal gesagt, für ihn sei es das Symbol des Kinos. Ihm hat gewiß die ornamentale Ordnung des Bildes gefallen, die das, was sich vor der Optik des Fotoapparates ereignete - die Dreharbeiten -, zu überlagern droht und so zur Kenntlichkeit als Spiel durch Licht treibt.
Max Ophüls widmet die WDR-Filmredaktion im September und Oktober auf West 3 eine zehnteilige Filmreihe. An ihrem Anfang steht heute abend um 22.30 Uhr die neunzigminütige Dokumentation Den schönen guten Waren, die Martina Müller über den Filmregisseur drehte. In ihm sagt eine seiner Sekretärinnen über ihn, er sei ein Mann gewesen, der die Schauspielerinnen liebte und leider nur sie. Ein Schauspieler erinnert sich, daß er als Regisseur stets im Maßanzug und mit Hut arbeitete und nicht - wie die Filmregisseure heute - in Jeans und Turnschuhen.
Geboren wurde der Regisseur als Max Oppenheimer. Seinen Künstlernamen Ophüls nahm er 1919 gezwungenermaßen an, als er sich entschloß, Schauspieler zu werden. Sein Vater, der mit seinen Künstlerplänen nichts anfangen konnte, verbot ihm - berichtet Ophüls 1945 in einem autobiographischen Text seinen Namen zu tragen. Vier Jahre arbeitet er an Stadttheatern in Aachen, Dortmund, Barmen. 1925 inszeniert er sein erstes Theaterstück, später kommen Operninszenierungen und sehr früh bereits Hörfunkarbeiten hinzu. Marina Müller berichtet in ihrem Film von der Begründung, mit der Ophüls 1926 vom Burgtheater in Wien entlassen wird: Das Publikum hätte wahrgenommen, daß er Jude sei. Die Nazis werden ihn aus Deutschland und durch halb Europa treiben, ehe er in den USA Zuflucht findet.
1931 dreht Ophüls seinen ersten kurzen Spielfilm. Grundlage bot eine Kindergeschichte von Erich Kästner. Nach einer Komödie um die heitere Seite der Filmproduktion, verfilmt er Smetanas Die verkaufte Braut (1932), in denen Karl Valentin und Liesl Karlstadt als Zirkusdirektoren-Paar ihre wahnwitzigen Kapriolen improvisierten. Lachende Erben aus dem gleichen Jahr (Sendetermin: 9.9.) erzählt die Geschichte eines Mannes, der vier Wochen keinen Alkohol anrühren darf, um die Sekt-Firma seines Onkels erben zu können. Eine volkstümliche Komödie, in der ein Notar prompt Weinhöppel heißen muß und der Held Bockelmann und sein Darsteller Heinz Rühmann.
In Liebelei nach Arthur Schitzlers gleichnamigem Drama (4.10.) schlagen die gefühlstaumelnden Liebespaare an die engen Grenzen der Wiener Aristokraten- und Militär -Gesellschaft. Als der Film, der Ophüls Ruhm begründete, in die Kinos kommt, ist Ophüls bereits vor den Nazis nach Frankreich geflohen. In den nächsten sechs Jahren wird er dort wie in Holland und Italien insgesamt zehn Filme drehen, darunter eine französische Neufassung von Liebelei und eine Verfilmung des Werther. An einer Opernhaus-Sequenz des 1939 fertiggestellten historischen Spielfims Von Mayerling bis Sarajewo (7.10.), der die Geschichte des habsburgischen Thronfolgers Franz-Ferdinand erzählt, demonstriert Martina Müller überzeugend die Ophüls-Methode der leerlaufenden Kommunikation. Das höfische Ritual als ebenso leer wie hektisch laufende Maschinerie trennt die Menschen und treibt sie in die Isolation. Zärtliche Feindin (16.9.) aus dem Jahr 1935/36 erzählt eine hoffungsfrohere Geschichte: Auf einer Feier lernen sich der Ehemann, der Liebhaber und der erste Geliebte der Frau des Hauses kennen - als Geister, da sie längst nicht mehr unter den Lebenden weilen. Während die Ex-Frau die Zweckheirat ihrer Tochter mit einem Fiesling betreibt, kommen die drei (von Ophüls in Plastiküberzügen gesteckten und in einer Halbeinstellung gezeigten) Gespenster hinter das Drama, das sie alle mit der ehemaligen Geliebten verbindet. Die Frau durfte ihren ersten Geliebten nicht heiraten, weil er nicht standesgemäß war. Den Ehemann, den sie nicht liebte, trieb sie in den Herzinfarkt und den Liebhaber, einen wunderbare Koteletten tragenden Dompteur, verwirrte sie so, daß ihn seine Tierchen verfrühstückten.
Die drei Freunde aus dem Totenreich beschließen, die Tochter vor diesem Schicksal zu bewahren. Gekonnt betreiben sie als Störenfriede die Flucht des Mädchens und verhindern, daß die Mutter ihr die Polizei hinterherhetzt. Zufrieden reichen sie sich zum Abschied die Hände. Sie haben nicht nur ihr eigenes, ihnen bislang nicht bewußtes Schicksal geklärt, sondern haben die nachfolgende Generation vor ihm bewahrt.
Hierzulande ebenso unbekannt wie viele seiner französischen Vorkriegsfilme ist seine erste Regiearbeit in den USA: Der Verbannte (14.10.) ist ein Schwert- und Degen-Drama, das Douglas Fairbanks jr. sich selbst auf den Leib geschrieben hat. Ein Kulissenfilm, der wie andere Ophüls-Filme auch von den schwindelerregenden Kamerafahrten durch eine phantastische Kulissenwelt und den phantastischen Wirrungen seiner Geschichte lebt.
Die Reihe auf West 3 schließen die neben Lola Montez bekanntesten Ophüls-Filme Pläsier (21.10.) und Madame de... (28.10.) ab, die er Anfang der fünfziger Jahre wieder in Frankreich drehen konnte. Sein Meisterwerk Lola Montez ist leider nicht zu sehen. (Alle Filme laufen um 20Uhr)
Dietrich Leder
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