: Die Schmiede der philippinischen Putschisten
■ Bombenanschläge, die Manila seit Wochen verunsichern, sollen auf das Konto der „Bewegung zur Reform der Streitkräfte“ (RAM) des flüchtigen „Gringo“ Honasan gehen / Sollte sein nächster Putsch gelingen, steht eine Wiederkehr des Marcos-Terrors bevor
Von Violet Valdez
Ein Erdbeben und ein halbes Dutzend Bombenanschläge hatten Manila bereits erschüttert, als der gesuchte Ex-Oberst Gregorio Honasan, alias „Gringo“ vor kurzem die Mitglieder seiner „Bewegung zur Reform der Streitkräfte“ (RAM/KSP) ermunterte, die Angriffe auf Regierungstruppen wiederaufzunehmen: Der eigentliche Agressor sei die Regierung. Sie habe den RAM-Aufruf zur Waffenruhe nicht beachtet, als sie im Nordosten von Mindanao eine Offensive gegen abtrünnige Soldaten startete.
Dabei seien Tausende, vor allem Angehörige ethnischer Minoritäten, im Zuge einer Evakuierungsaktion aus ihrer Heimat vertrieben worden. „Die Wiederaufnahme des Kampfs ist eine Antwort auf diese unmenschliche und sinnlose Aktion gegen unsere Brüder und unser Volk“, so die immer populärere Logik Honasans.
Seit er bei der erfolgreichen Revolution von 1986 eine Schlüsselrolle gespielt hat, mehren sich die Heldengeschichten um die Tapferkeit und Opferbereitschaft seiner Leute. Der Aquino-Regierung warf er hingegen alsbald vor, die Ideale der Revolution verraten zu haben.
Diesem Mythos widerspricht der amerikanische Politikwissenschaftler Alfred McCoy. in einer Artikelserie zeichnete er ein furchterregendes Portrait jener Männer, die sich anschicken, die neuen Heroen der Filipinos zu werden. McCoys Analyse folgend, mahnte unlängst ein Leitartikel des renommierten 'Inquirer‘: „Nimmt man McCoys Studie der RAMboy -Psyche in Betracht, darf sich das Volk darauf gefaßt machen, daß die RAMboys beim nächsten Versuch der Machtergreifung nicht zögern werden, uns im Namen unseres eigenen Wohles zu töten.“
Alte
Kameradschaft
Die Bewegung zur Reform der Streitkräfte ist eine Ausgeburt der Marcos-Diktatur. Marcos hatte die Armee zum Abbau demokratischer Institutionen und zum Machterhalt der von ihm geförderten Oligarchie mißbraucht. Diese Politisierung des Militärs mußte das Offizierkorps nach einem Jahrzehnt demoralisieren, folgert McCoy in seiner Analyse: Die Bewegung zur Reform der Streitkräfte war von Anfang an eine janusköpfige Institution - einerseits eine der Öffentlichkeit bekannte Reformbewegung und auf der anderen eine clandestine Putschgruppe.
Als Reformbewegung forderte RAM erstmals 1984 die Rückkehr zu den Prinzipien des Berufssoldatentums und ein Ende des Nepotismus. Als Putschgruppe wurden sie durch den Ehrgeiz des damaligen Verteidigungsministers Enrile inspiriert, der es auf das Präsidentenamt abgesehen hatte.
Zwischen Enrile und RAM-Gründer Honasan, der nach einer Verletzung bei Gefechten in Mindanao für zehn Jahre das Amt des Sicherheitschefs innehatte, entwicklete sich eine enge Vater-Sohn-Beziehung. Unter den Militärs genoß Honason aufgrund seines Macho-Gehabes einigen Respekt, den er durch etliche Siege bei Schieß- und Sportwettbewerben noch auszubauen wußte. Schon auf der Militärakademie hatte er sich als Klassenkapitän oder „Baron“ seines Jahrgangs profiliert.
Für den Kern der RAM sammelte Honasan entweder ehemalige Klassen- oder Waffenkameraden um sich. Alle RAM-Führer waren zudem Stabsoffiziere, die sich auf politische Nachrichtentätigkeiten verstanden, wobei es besonderer Fähigkeiten bedurfte: Vernehmungen, Folter, Infiltration, Desinformation und Propaganda. Es gibt genügend Beweismaterial für die Beteiligung der RAM-Führer an den unter Marcos üblichen Foltervernehmungen.
Der erste Putschplan, der nach Enriles Trennung von Marcos im Jahre 1985 entwickelt wurde, sollte auch die Grundlage für vier weitere Putschversuche abgeben. Bedeutendster Stratege war Marinekapitän Robles, der als Spezialist für psychologische Kriegsführung im Verteidigungsministerium galt und bereits für die schwarze Propaganda gegen den später ermordeten Ehemann von Corazon Aquino gesorgt hatte. Er lieferte ein hochentwickeltes Konzept des Staatsterrors, das das von Marcos geleitete „Theater des Terrors“ reproduzierte.
Mit Enriles Finanzierung hatten die Offiziere genug Waffen und Munition für den Sturm des Malacanang-Palasts, der Residenz des Präsidenten.
Am Wahltag im Februar 1986 hatte das Komplott bereits 2.500 Soldaten herangezogen, die in kleineren Einheiten an strategischen Punkten rings um Metropolitan Manila postiert waren. Das Komplott wurde jedoch verraten und die Aktion abgebrochen. Daraufhin erklärte Enrile die offene Revolte gegen Marcos. Er verließ sich auf seine von Honasan geleitete Sicherheitstruppe von 300 Soldaten und zwei Panzer.
Auf Marcos Seite stand die Garde des Präsidenten. Günstige Umstände führten indes zu einer Koalition mit General Ramos und schließlich zu einem erfolgreichen Massenaufstand, den man in aller Welt als „Peoples Power“ bejubelte.
Marcos wurde mit der gelben Revolution gestürzt. Enrile bleib jedoch Anwärter auf das Präsidentenamt. Behutsam testete er nun die Verwundbarkeit der neuen Regierung, um noch im selben Jahr gegen Aquino auf zwei Fronten vorzugehen: Er gründete seine oppositionelle Partei und bastelte gleichzeitig an Putschplänen. Die RAM-Führer standen ihm dabei zur Seite, denn ihr Fortkommen war an Enriles Erfolg gebunden.
Erst nach seinem zweiten gescheiterten Putschversuch, entließ Aquino Enrile aus ihrem Kabinett. Seine Popularität sank merklich. Bei den letzten Wahlen im Jahre 1987 gelang es ihm, gerade noch einen Sitz im Senat zu ergattern: als letzter der 24 Listeninhaber.
Nach dem mißglückten Putsch im August 1987, nahm Honasan im Dezember 1989 seinen vierten Anlauf. Diesmal stand die Marine auf seiner Seite und kontrollierte den Luftraum, die Bevölkerung blieb derweil neutral bis ambivalent. Von neuem scheiterte jedoch sein Angriff auf den Palast, und zum Entsetzen der Bevölkerung schoß seine Armee auch dieses Mal auf eine Menge unbewaffneter Studenten in der Nähe des Regierungssitzes.
Die Gegebenheiten deuten daraufhin, daß der nächste Putsch besser finanziert und organisiert sein wird. Denn alle führenden aufständischen Offiziere befinden sich auf freiem Fuß, ihre Erfahrungen und Putschfähigkeit haben sich zunehmend verbessert, und sie können sich auf mächtige Hintermänner verlassen. Es ist also an der Zeit, Spekulationen über eine Regierung der RAM-Junta anzustellen. Allen Anzeichen nach droht eine Wiederkehr der Repression, des Terrors und des Machtmonopols der Marcos Diktatur.
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