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CDU will Sachsen auf Glanz polieren

■ Biedenkopf will aus Sachsen „ein starkes Stück Deutschland in Europa und ein starkes Stück Europa in Deutschland“ machen

Aus Dresden Detlef Krell

Die sächsischen Christdemokraten sind glücklich. Mit der Nominierung von Kurt Biedenkopf für das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten traten sie aus dem peinlichen Streit der vergangenen Wochen die Flucht nach vorne an: Walther Prießnitz und Klaus Reichenbach hatten eine harte Auseinandersetzung um Altlasten und Erneuerung der ehemaligen Blockpartei provoziert. Mit dem Bonner Staatssekretär Prießnitz wollten die CDUler nicht und mit dem Chemnitzer Altparteimitglied Reichenbach konnten sie nicht zur Wahl antreten. Einige Tage lang war der CDU -Bundestagsabgeordnete Biedenkopf angesagt, bis auf dem zweiten Landesparteitag am Sonnabend in Dresden alte und neue CDU-Mitglieder „einheitlich und geschlossen wie ein Mann“ hinter dem nordrhein-westfälischen Professor standen. Der Landesparteitag legte die alten Geschichten von Klaus Reichenbach, die von CDU-Neuzugängen medienträchtig aufgewärmt worden waren, zu den Akten. Die CDU habe Kräfte gefunden, um die Erneuerung von innen heraus zu bewältigen. Mit dieser Fähigkeit, Belastungen der Vergangenheit klar auszusprechen, stünde sie allein in der DDR da - für Biedenkopf war die sächsische CDU-Krise kein Thema. Im Überschwang der Gefühle passierte manchem Parteitagsredner schon einmal die Vorwegnahme des Wahlergebnisses , wenn vom „verehrten Herrn Ministerpräsidenten“ gesprochen wurde. Man müßte sich nicht, wie Biedenkopf unter tosendem Beifall versicherte, auf eine Koalition einlassen, um Sachsen regieren zu können.

Biedenkopf will aus Sachsen ein starkes Stück Deutschland in Europa und ein starkes Stück Europa in Deutschland machen. Es sei eine gesamtdeutsche Aufgabe, mit der Vereinigung zu einem „neuen Deutschland“ beizutragen, worin die BRD ebenso aufgehe wie die DDR. Dabei verändern sich eingespielte Seilschaften in der Politik. Auch die Seilschaften der CDU werden sich mit dem 2.Dezember verändern. Hier durfte sich wohl Helmut Kohl angesprochen fühlen, der den früheren CDU-Generalsekretär wegen dessen ausgeprägter Fähigkeit, über Parteimittelmaß hinauszudenken, geschaßt hatte. Am Rande des Parteitages in Dresden wurde deshalb auch die Vermutung diskutiert, daß mit Biedenkopfs Kandidatur in Sachsen innerparteiliche Machtkämpfe der West -CDU in die neue Runde der gesamtdeutschen Partei geläutet werden.

Das Wahlprogramm Biedenkopfs zielt auf eine Landesverfassung und eine leistungsfähige Verwaltung ab. Den Abschiedshinweis des Dr. Prießnitz, „mindestens vier Ministerposten mit guten Politikern aus dem Westen zu besetzen“, griff er nicht auf. Wohl aber wußte sich der gebürtige Pfälzer des sächsischen Lokalpatriotismus zu bedienen und die Stärke des Landes in der Souveränität sächsischer Städte und Gemeinden zu begründen. Sachsen werde ein wichtiger Vertreter des Föderalismus sein, diesen nicht nur pflegen, sondern auch gegen schleichende Zentralisierung verteidigen. Damit teilte er gleich einen kleinen Seitenhieb gegen die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten im besonderen und die SPD im allgemeinen aus, was die Delegierten außerordentlich erfreute. Biedenkopf, Aufsichtsratsvorsitzender von baukema Leipzig und der Heckmann-GmbH Heidenau, ist optimistisch, was die Aussichten der sächsischen Wirtschaft betreffen.

Der CDU-Landesparteitag beschloß den Zusammenschluß mit dem Landesverband des Demokratischen Aufbruch. Zum ersten gesamtdeutschen CDU-Parteitag wird die Zusammenführung der CDU aus Ost und West erwartet. Vorerst blieb es den Parteitagsdelegierten vorbehalten, den brillanten Redner Biedenkopf zu erleben. Für die WählerInnen in Dresden wird Helmut Kohl am 16. September dem CDU-Wahlkampf die gewohnte Note verleihen.

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