: Unterm Strich
Die West-Industriellen sollen die DDR-Kultur unterstützen. Diese Auffassung vertrat am Wochenende Arend Oetker, der Vorstandsvorsitzende der Kölner Otto Wolff AG und Vorsitzende des Gremiums Bildende Kunst des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) auf einem Ostberliner Symposium zum Thema „Kultur und Wirtschaft“. Bei einem DDR-Engagement sollten bundesdeutsche Unternehmen nach Meinung Oetkers nicht nur neue Absatzmärkte erschließen, sondern auch gesellschaftliche und kulturpolitische Verantwortung in den neuen Bundesländern übernehmen. Er warnte zugleich davor, bei der Kultur allzu hohe Erwartungen in die Wirtschaft zu setzen. Kunstund Kulturförderung seien in erster Linie Aufgaben des Staates. Nötig seien jetzt Eigeninitiative sowie persön
liche Kontakte und Patenschaften zwischen West und Ost. Oetker fügte hinzu, daß auch der Kunstmarkt wie zum Beispiel Galerien in die DDR kommen müsse. Eingeladen zu dem zweitägigen Symposion im Schloß Niederschönhausen im Ostberliner Stadtbezirk Pankow hatte das DDR -Kulturministerium und der Kulturkreis im BDI. Die Arbeitsgruppe Bildende Kunst schlug vor, die Unternehmen sollten dazu angehalten werden, sich vorrangig DDR-Kunst in ihre neuen Büros zu hängen.
Berlins Kultursenatorin Anke Martiny plädiert dafür, das Theater der Freien Volksbühne im Westteil der Stadt und die traditionsreiche Volksbühne am Ostberliner Rosa -Luxemburg-Platz unter eine gemeinsame Intendanz zu stellen, dabei aber beiden Häusern „eigenständige künstlerische Profile zuzuweisen“: Für
Ost-Berlin denkt sie dabei an Tanztheater. Ihr „Wunschkandidat“ für die künstlerische Leitung sei der bisher in Dresden wirkende Regisseur Wolfgang Engel. „Wir sollten im kulturellen Bereich bei jetzt anstehenden Personalentscheidungen gerade in Berlin DDR-Lösungen suchen, wo immer dies möglich und überzeugend geboten ist“, betont die Senatorin in einem Positionspapier, das sie der Ostberliner Kulturstadträtin Irana Rusta und dem DDR -Kulturminister Herbert Schirmer übersandt hat. (Wir dachten bisher immer, daß bei Personalentscheidungen auch auf dem kultursektor Qualität den Ausschlag gibt und nicht die Farbe des Personalausweises.) Engel, der selber nicht Intendant werden wolle, für eine künstlerische Leitung aber eventuell Interesse hätte, wäre nach Ansicht Martinys eine Bereicherung der Berliner Thea
terlandschaft. Benötigt würde dann ein Volksbühnen-Intendant „ohne eigene künstlerische Ambitionen, aber mit breitem Sachverstand„. Das 1990 mit knapp 13,4 Millionen Mark subventionierte Haus der Volksbühne in der Schaperstraße werde, so heißt es im Positionspapier, „was seine künstlerische Leistungen betrifft, öffentlich kaum noch angenommen, es hat kaum Publikum“. In allen Monaten dieses Jahres habe die durchschnittliche Platzausnutzung bei Eigeninszenierungen nie über 339 Zuschauern gelegen. Das „absolute Tief“ sei im Mai mit durchschnittlich 83 Besuchern je Vorstellung erreicht worden. „Die Freie Volksbühne ist aber kein Experimentaltheater, sondern schon von seiner Platzzahl her ein beachtlicher öffentlicher Ort.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen