: Petrolchemischer Anschluß der DDR
■ Bau einer Pipeline vom Ruhrgebiet nach Schkopau geplant / Bessere Verhandlungsbasis mit der Sowjetunion
Leipzig (taz) - Auf erschwerte Preisverhandlungen über die Lieferung von Erdöl nach Ostdeutschland muß sich die Sowjetunion einrichten. Bislang besorgte das Petrolchemische Kombinat (PCK) in Schwedt, „Petrolchemie und Kraftstoffe AG“, den Einkauf von Rohöl für die gesamte DDR; in der Stadt an der Oder mündet die Pipeline „Freundschaft“ in das DDR -Netz. Hierüber bezieht das Land seine gesamten Rohölimporte.
Das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Eine zweite Bezugsquelle muß her. Bindeglied dafür ist eine verstärkte Kooperation zwischen der Buna AG in Schkopau und den Chemischen Werken Hüls (CWH), die zum VEBA-Konzern gehören. Am Projekt einer Pipeline aus dem Ruhrgebiet in den Chemie -Standort, das rund 300 Millionen DM kosten würde, wird bereits gearbeitet. (Siehe Interview unten.) Die Buna AG in Schkopau wiederum hat Zugang zum Pipeline-System der DDR.
Einen „Rohstoff-Verbund“ mit Buna möchte Heiner S. Langer, Verkaufsleiter Osteuropa von Hüls. Eine Komplettversorgung etwa durch die VEBA Oel oder - bei chemischen Produkten durch Hüls kommt aber einstweilen nicht in Frage; dazu reichten die VEBA-Kapazitäten im Ruhrgebiet nicht oder noch nicht aus.
Eine solche Pipeline, über deren Trasse von Recklinghausen nach Schkopau bereits konkrete Alternativen geprüft werden, dürfte zwar nicht von der VEBA allein, sondern im Verbund mit anderen westdeutschen Chemiekonzernen geplant werden. Sie bräuchte aber nicht nur für Erdöl allein ausgelegt zu werden, sondern auch für andere Produkte, deren Transport über Land zu gefährlich oder zu teuer werde. Langer: „Ob man ein oder zehn Rohre in den Graben legt, ist doch gleichgültig.“ Zudem würde ein Nachteil entfallen, unter dem Buna schwer zu leiden hat: die schlechte Infrastruktur bei der Anbindung. Einen schiffbaren Kanal gibt es nicht, und das einstige Kombinat ist für die langen Umschlagzeiten für Kesselwaggons berühmt-berüchtigt.
Schlichtweg schlucken dürfen VEBA und CWH das einstige Stammwerk des Kombinats Buna allerdings nicht - da ist das Bundeskartellamt vor. Hüls und Buna sind alte Schwesterunternehmen: Beide wurde Ende der 30er Jahre von den IG Farben zur Kautschuk-Produktion für die Kriegswirtschaft gegründet und verfügen noch heute über eine fast identische Produktpalette. So haben sich die beiden Konzerne auf schwammig umschriebene „Kooperationsprojekte“ geeinigt, die zwar auch Investitionskredite von Hüls für Buna umfassen können. Unterschrieben ist aber bislang nur ein Vertrag vom Februar, in dem VEBA und Hüls der Buna technologische, Marketing- und Vertriebshilfen bieten. Dafür steht bei der Buna wiederum das Konkurrenzunternehmen Atochem, Tochter des französischen Energiekonzerns Elf -Aquitaine, auf der Matte der Treuhandanstalt - sagt jedenfalls Buna-Chef Karl-Heinz Saalbach. Bei Atochem hält man den Vorgang „für eine politische Angelegenheit“ und möchte noch gar nichts weiter sagen. Einstweilen sind in den frisch bestallten Buna-Aufsichtsrat außer einem Direktor der Deutschen Bank auch Hoechst-Chef Carl-Heinz Krauch und Heinz Ache, selbst früher im Hüls-Vorstand, eingezogen. Allerdings will Buna bis 1995 aus eigener Kraft auf die Füße kommen. Die Aktien sind dann zum Nennwert von 500 Millionen DM bei der Treuhand zu haben.
Mit der Pipeline in den Süden der DDR kann sich auch Manfred Fritsch, der amtierende Leiter des Bereichs Beschaffung und Absatz bei PCK in Schwedt, anfreunden. „Es fehlen die Alternativen in der Republik. Daß wir erpreßbar sind, wissen wir.“ Schon jetzt hat die SU ihre Öllieferungen um 20 Prozent gekürzt; die Tendenz ist zunehmend. Zwar werden im Gegenzug auch die Exporte in die UdSSR verringert, doch dies betrifft kaum mehr als die 180.000 Tonnen Flugbenzin jährlich, die die Rote Armee in der DDR erhält. Und selbst die braucht sie vermutlich nicht mehr lang.
Dietmar Bartz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen