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Soldaten gegen polnische Flüchtlinge

■ 1.500 Mitglieder des österreichischen Bundesheeres sollen Grenze schützen / Seit heute gilt auch in Österreich der Visumzwang für PolInnen / Waffengebrauch nur zur „eigenen Verteidigung“

Berlin (taz) - Seit Mitternacht gestalten 1.500 Soldaten des Bundesheeres die österreichische Flüchtlingspolitik an der Ostgrenze des Landes. Sie haben den Regierungsauftrag, keine illegalen polnischen Flüchtlinge mehr ins Land zu lassen. Auch von der Waffe dürfen sie dabei Gebrauch machen, allerdings nur „zur eigenen Verteidigung“, wie sich der sozialdemokratische Innenminister in Wien, Franz Löschnak, ausdrückte. In demselben „Maßnahmenpaket“ beschloß das österreichische Kabinett gestern einmütig, per sofort den Visumzwang für PolInnen wieder einzuführen, der 1988 abgeschafft worden war.

Die neue Visumregelung soll zunächst für sechs Monate gelten, der „Assistenzeinsatz“ des Heeres ist zunächst auf zehn Wochen befristet. Nur PolInnen, die auf der Durchreise in Österreich sind und das Visum eines anderen Landes haben, benötigen von heute an keinen Sichtvermerk. Alle anderen PolInnen müssen eine bestimmte Geldmenge an der österreichischen Grenze vorweisen (die Höhe war gestern noch nicht bekannt), um ein Touristenvisum zu bekommen. Das Bundesheer soll der laut Löschnak überforderten Grenzpolizei zu Hilfe kommen, die bislang täglich „nur“ 150 bis 200 Flüchtlinge an der Grenze aufgreifen kann. Tatsächlich reisten jedoch jeden Tag rund 1.000 Personen illegal nach Österreich ein, davon zwei Drittel Rumänen, für die bereits seit März der Visumzwang gilt.

Begründet wurde die Entscheidung mit der angeblich steigenden Kriminalität, dem illegalen Handel und der zunehmenden Schwarzarbeit. Besonders der Wiener Bürgermeister Zilk meinte, aus Sorge um seine Stadt - wo sich rund um den Mexikoplatz in den letzten Monaten ein polnischer Handelsschwerpunkt entwickelt hat - nach der Einführung des Visumzwangs rufen zu müssen. Die Zahl der illegal eingereisten PolInnen habe in diesem Jahr stark zugenommen, so seien zum Beispiel am vergangenen Wochenende rund 7.000 PolInnen nach Österreich gekommen, von denen sich viele ausschließlich dem illegalen Handel gewidmet hätten. Klagen kamen aber auch von einer anderen Klientel, der sich die Sozialdemokraten verpflichtet fühlen: Denn das große Angebot an billigen Schwarzarbeitern sorgt für Niedriglöhne in der österreichischen Industrie.

Die Entscheidung fällt knapp fünf Wochen vor den österreichischen Wahlen und zu Beginn der heißen Wahlkampfphase, deren beherrschendes Thema die Ausländerpolitik ist. Vor allem der rechtskonservative Politiker Haider geht mit ausländerfeindlichen Parolen erfolgreich auf Stimmenfang und übt massiv Druck auch auf die anderen Parteien aus. Seine Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hat nach jüngsten Meinungsumfragen ihr Wählerpotential seit den letzten Wahlen bereits auf rund 20 Prozent verdoppelt - entsprechend verschreckt ist die Reaktion seiner politischen Gegner. Der ausländerfeindliche Diskurs - und Stimmenfang - ragt längst in die Spitze der Sozialdemokratie hinein. So forderten kürzlich zwei Zentralsekretäre der SPÖ, der Parade-Linke Cap und der traditionelle Sozialdemokrat Marizzi, eine restriktivere Ausländerpolitik, die sie mit der hohen Kriminalitätsrate begründeten. Dabei verstiegen sie sich zu dem Satz: „Das Boot ist voll.“

Öffentlich kritisiert wurde das „Maßnahmenpaket“ bislang nur von den Jungsozialisten und von den österreichischen Grünen. Deren Obmann Andreas Wabel bezeichnete den Einsatz von Soldaten gegen Flüchtlinge als unmenschlich und eine „Bankrotterklärung der österreichischen Einwanderungspolitik“.

Ganz anders bewertet Vizekanzler Riegler die Tatsache, daß mit Österreich eines der letzten westeuropäischen Länder seine Grenzen für Polen schließt. Er sagte, sein Land verstehe sich weiterhin als „Hort der Freiheit“.

Dorothea Hahn

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