: Fährt die Linie 1 bald nach Pankow?
■ U-Bahn soll von Pankow nach Ruhleben fahren / Dafür soll die U1 ihren Namen verlieren / Die Erneuerung der Hochbahn zwischen Gleisdreieck und Nollendorfplatz kostet über 100 Millionen
Berlin. Die Errichtung eines durchgehenden U-Bahn -Betriebes von Krumme Lanke nach Pankow wird jetzt bei der BVG und in der Verkehrsverwaltung Senator Wagners offenbar nicht als letzter Stein der Weisen betrachtet. Im Hause Wagners wird statt dessen eine neue Zugverbindung von Ruhleben über Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Bülowstraße, Gleisdreieck und Potsdamer Platz nach Pankow „ernsthaft erwogen“, bestätigte Sprecher Keiluweit. Ergänzend sehen die Alternativpläne vor, die bislang am Wittenbergplatz endenden Kleinzüge der U-Bahn-Linie 2 von Krumme Lanke künftig auf der jetzigen Trasse der U1 bis Schlesisches Tor weiterzuführen.
Wie es dazu aus der Verkehrsverwaltung hieß, habe die BVG selbst eine solche Linienführung vorgeschlagen. Maßgeblich dafür seien einmal die neuen „Verkehrsströme“ im Untergrund zwischen den beiden Stadtzentren. Ein Senatsplaner: „Es ist ja klar, daß die Leute aus der Ostberliner City vom Potsdamer Platz über Wittenbergplatz nach Zoo wollen und nicht nach Krumme Lanke.“ Allerdings müßten dann diejenigen U-Bahn-Fahrgäste, die vom Schlesischen Tor nach Ruhleben wollen, einmal umsteigen. Weil dies am Wittenbergplatz niveaugleich auf einem Bahnsteig geschehen könne, werde die Linie 1 jedoch kaum an Attraktivität verlieren, heißt es. Doch soll der Kreuzberg-Expreß das durch ein Musical weltbekannt gewordene Prädikat „U1“ verlieren.
Schnöderweise will man die projektierte Verbindung Ruhle ben-Pankow zur Linie 1 erhe ben; der Streckenast KrummeLan ke-Schlesisches Tor würde auf zukünftigen Fahrplänen als verlängerte „U2“ auftauchen. Auch für den BVG-Sprecher Wolfgang Göbel ein unverzeihlicher Traditionsbruch: „Ein Wegfall der Bezeichnung U1 für die Kreuzberg-Linie wäre ganz furchtbar. Schon bei den Plänen, die gelben Busse und Bahnen weiß zu lackieren, ist die Revolution mit und ohne Bahnsteigkarte ausgebrochen.“ Nun befürchtet der ehemalige Gedenkstättenleiter für die U1 „ähnlich Schlimmes“. Inzwischen steht fest, daß die Wiederherstellung der U-Bahn -Verbindung über den Potsdamer Platz viel teurer als gedacht werden wird. Ursprünglich waren die Experten in groben Schätzungen auf eine Summe von 30 Millionen Mark zur Instandsetzung der stillgelegten Hochbahnstrecke zwischen Gleisdreieck und Nollendorfplatz gekommen. Dies koste nun „mit Sicherheit weit über 100 Millionen Mark“, so der Referatsleiter Nikolaus Kapp von der Senatsbauverwaltung. Die Preisexplosion ergebe sich aus einem teilweise fertiggestellten Gutachten des Aachener Stahlbaufachmanns Professor Sedlacek. Danach sind die großen Brücken über den Landwehrkanal und am Gleisdreieck stärker verrostet als angenommen. Der Gutachter schlug eine Grundsanierung vor. Laut Kapp müssen die rund 90 Jahre alten Viadukte auch schon deshalb teilweise verstärkt werden, da die U-Bahn-Achslasten früher nur mit vier Tonnen berechnet wurden. Heute seien 7,1 Tonnen üblich.
Nach den Worten ihres Sprechers Keiluweit peilt die Verkehrsverwaltung unterdessen immer noch Ende 1992 als Datum der Inbetriebnahme der neuen innerstädtischen Ost-West -Linie an. Keiluweit forsch: „Bis Ende 1991 ist die M-Bahn weg - soviel steht fest.“ Das momentane Problem sei, daß man schwerlich einer Finanzierungsentscheidung des neuen Gesamtberliner Parlaments für die nächsten zwei bis drei Jahre vorgreifen könne.
Thomas Knauf
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