: Hosen für Punks und Pauker
■ Die Toten Hosen waren am Dienstag in Oldenburg / Kein Lehrer mehr mit in Aufruhr zu versetzen
„Das mit den Hosen“, so ein 15jähriger Hauptschüler neulich, „das ist doch irgendwie vorbei.“ Vor zwei Jahren noch habe man mittels Ghetto-Blaster auf dem Schulflur mit dem Bommerlunder-Song ein ganzes Lehrerkollegium in Aufruhr versetzen können. „Heute kann es dir passieren, daß du beim Konzert in Oldenburg deinen Pauker triffst.“ Igitt.
Wer hat Schuld? Die taz vielleicht, die die bösen Buben während der Weltmeisterschaft als begabte, witzige und (fast) seriöse Sportkolumnisten entlarvte? Oder die Toten Hosen selbst, die mit ihrer jüngsten Doppel-Lp „Auf dem Kreuzzug ins Glück“ eine Sammlung aus umarrangierten alten und neuen Songs vorlegten - die vergleichsweise moderat und so herausragend gut ist, daß selbst der „Spiegel“ nicht daran vorbeihören konnte, ohne sich ein zerquetschtes Lob abzuzwacken?
Wir wissen es nicht, und den fünf Düsseldorfern wird's egal sein, denn die laufende Tour entpuppt sich derzeit als Riesenerfolgs-Trip, der längst nicht mehr durch die Clubs, sondern durch die Hallen führt; auch die Weser-Ems-Halle war gut gefüllt, die
Schar der kampferprobten alten Hosen-Hasen war im hinteren Bereich um eine Masse von Erstlingen aus dem Stall der Normalos erweitert. Etwas scheu noch zum Teil, aber alle schon recht tapfer der schmerzvollen Phonstärke trotzend.
Aggressives
Wir-Gefühl,
augenzwinkernd,
subproletarisch
Daß musikalische Virtuosität nicht den geringsten Grund für diese Begeisterungswelle abgibt, wer wüßte es nicht. Denn bei den Hosen '90 „stimmts“ genauso wie bei den Stones von 1965. Auch die Präsentation fällt nicht aus dem (Punk -)Rahmen: Die fünf fegen immer noch wie Derwische über die Bühne. Sänger Campino übt sich rotzlöffelig im „Anwichsen“ abwechselnd von Bandkollegen und Publikum. Und das Material ist zwar rasant, wird aber von immergleichen Patterns der rasenden Gitarren und stets ähnlichen Gröl-Refrains getragen. Die Songs transportieren aggressives Wir-Gefühl, augenzwinkernde, subproletarische Volksnähe; sind frei von jeder rhythm & bluesigen Mainstre
ameligkeit und verwandelten die ostfriesische Halle in einen wahren Hexenkessel. Der trotz allem Alk-Gedöns fehlende Bierernst - dokumentiert schon durch das traditionell geschmacklos bunte Outfit - ist es wohl, der ihnen das Feld jenseits der Punkgrenzen er
schließt.
Außerdem ist bad boy Campino nun wirklich ein netter Junge: „Wenn einer umfällt, hebt ihr ihn auf, klar?!“, herrscht er die Pogos vorne an, und einem bedrängten Krückenbewehrten hilft er selbstverständlich über die Bühnenab
sperrung. Neunzig Minuten hetzten die Hosen durch ihre größten Hits, und abschließend gab's noch einen Kurz-Gig zusammen mit den mäßig originellen Punkern der Vorgruppe „The Lurkers“. Dann wars genug. Wirklich. Rainer Köste
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen