Ausländische Arbeiter und ihre Rechte

■ Welche Pflichten haben die DDR-Betriebe gegenüber ihren ausländischen Arbeitern / Ein Interview zur Rechtslage

INTERVIEW

Mitte. Zu Tausenden verlassen ausländische Arbeitnehmer in der DDR das Land. Es fliegen auch die Arbeiter nach Hause, die aufgrund von Regierungsabkommen zwischen der DDR und Vietnam, Mosambik und Angola längerfristige Arbeitsverträge gehabt haben. Über die Rechte der ausländischen Arbeiter in der DDR will dieses Gespräch mit dem Rechtsberater Wilfried Buchhorn vom Büro der Ausländerbeauftragten des Ministerrat der DDR informieren.

taz: Welche Pflichten hat ein Betrieb gegenüber ausländischen Bürgern, die aufgrund von Regierungsabkommen in der DDR arbeiten, wenn das befristete Arbeitsverhältnis vorzeitig gekündigt wird?

Wilfried Buchhorn: Das Arbeitsverhältnis kann aus zwingenden Gründen beendet werden, worunter vor allem betriebswirtschaftliche Gründe zu verstehen sind. In einem solchen Fall muß der Betrieb dem ausländischen Arbeitnehmer kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt vier Wochen. In dieser Zeit hat der gekündigte Arbeitnehmer Anspruch auf alle Leistungen, die er bisher erhalten hat. Gleichzeitig ist er auch weiterhin zur Arbeit verpflichtet. Jeder ausländische Arbeitnehmer hat dann das Recht zu entscheiden, ob er in seine Heimat zurückkehrt oder ob er für die ursprünglich vorgesehene Vertragsdauer in der DDR bleibt. Nach Ablauf der Kündigungsfrist hat der Arbeitnehmer, der in sein Heimatland zurückkehren will, Anspruch auf 70 Prozent des bisherigen Nettodurchschnittslohnes vom Betrieb bis zur Ausreise, mindestens jedoch für drei Monate, wenn er im Betrieb nicht weiterarbeiten kann. Ebenfalls hat er Anspruch auf Unterbringung im Wohnheim des Betriebes, muß allerdings für die Miete selbst aufkommen. Außerdem muß der Betrieb die Heimreise organisieren und bezahlen und Unterstützung beim Versand der persönlichen Sachen in das Heimatland gewähren. Ferner muß der Betrieb dem Arbeitnehmer eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 3.000 Mark zahlen. Dieser Betrag soll dafür entschädigen, daß die vereinbarte Beschäftigungsdauer von vier bzw. fünf Jahren nicht eingehalten wird.

Welche Rechte hat ein Arbeitnehmer, der sich entscheidet, für die ursprünglich vorgesehene Vertragsdauer in der DDR zu bleiben?

Ein Arbeitnehmer, der nicht sofort in sein Heimatland zurückkehrt, hat nach Ablauf der Kündigungsfrist das Recht, drei Monate in dem bisherigen Wohnheim zu wohnen. Danach kann er Anspruch auf angemessenen Wohnraum gegenüber der Kommune erheben. Ansonsten haben ausländische Arbeitnehmer die gleichen sozialen Rechte wie ihre deutschen Kollegen, daß heißt, sie erhalten vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder auch Kurzarbeitergeld. Sie haben Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis durch das Arbeitsamt. Darüber hinaus ist das Arbeitsamt verpflichtet, sie bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu unterstützen.

Welche nächsten Schritte sollten ausländische Bürger unbedingt beachten, falls ihnen gekündigt wird?

Da auch für alle ausländischen Arbeitnehmer das Kündigungsschutzgesetz der DDR gilt, müssen sie nach Erhalt der schriftlichen oder auch mündlichen Kündigungserklärung überlegen, ob sie der Kündigung widersprechen wollen. Hierfür haben sie drei Wochen Zeit. Innerhalb der ersten Woche können sie sich zunächst an den Betriebsrat wenden. Wichtig ist allerdings, daß vor Ablauf der drei Wochen Einspruch bei einer Kammer für Arbeitsrecht des jeweiligen Kreisgerichts eingelegt wird, wenn die Kündigung nicht akzeptiert wird. Wird diese Frist versäumt, ist es nur in Ausnahmefällen möglich, noch gegen die Kündigung vorzugehen. Wird die Kündigung angenommen, besteht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf 100 Prozent des bisherigen Arbeitsentgeltes. Anschließend sollte sich der Arbeitnehmer gegebenenfalls beim Arbeitsamt arbeitslos melden.

Interview: Anita Kugler

Rechtsanwälte, die die Interessen ausländischer Bürger gegenüber Betrieben vertreten, werden beim Kollegium der Rechtsanwälte in der DDR, Littenstraße 14-15, Berlin 1020, Tel.: 2124155 genannt.