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Sex mit Glockengeläut

Daß die katholische Kirche Sex am liebsten verbieten würde, ist bekannt. Leider ist Sex aber notwendig, um neue kleine Katholiken zu machen. Also beschränken sich die heiligen Männer darauf, die Paarungsgewohnheiten ihrer Schäfchen zu verdammen. Die italienischen Bischöfe wollen sogar die Sprache ändern. Nach ihrer Auffassung müßen Formulierungen, die absolut nicht katholisch sind, wie zum Beispiel „die Gefahr, schwanger zu werden“ oder „ein Kind machen“ schnellsten aus dem Sprachschatz verschwinden. Außerdem sei die Wollust eh nur „eine pathologische Deformation“.

Der irdische Chef der Katholiken, Papst Johannes Paul II. ist natürlich

die Inkarnation der Keuschheit. Der Oberhirte ist gerade zum siebten Mal auf Public-Relations-Tour in Afrika. Er will die Integration des christlichen Glaubens in das afrikanische Leben vorantreiben. Zu diesem Zweck warnt er - in einer der am stärksten von Aids betroffenen Regionen der Erde - die Menschen vor Verhütungsmitteln. Entschieden wandte sich der Heilige Vater gegen das „scheußliche Verbrechen der Abtreibung und Geburtenkontrolle“. Die Überbevölkerung führt in zahlreichen afrikanischen Staaten zu chronischen Hungersnöten, die sind für den Papst zwar auch nicht gerade erstrebenswert, daß weitaus scheußlichere Verbrechen ist für ihn aber der Gebrauch einer Lümmeltüte. Allein in Tansania sind nach Schätzungen von Experten rund 500.000 Menschen mit dem Aids-Virus infiziert. Der Va

tikan aber lehnt staatlich unterstützte Programme, die die Verwendung von Kondomen zur Eindämmung der Seuche fördern sollen, strikt ab. Die Kirchen-Führer liegen deswegen im Clinch mit mehreren Ländern. In Ruanda kritisierte die Regierung kürz

lich katholische Krankenhäuser, die sich weigern, Kondome zu verteilen.

In Deutschland ist Sex bei den Katholiken zur Zeit kein Thema. Hier gilt es gerade, ein viel komplizierteres Problem zu lösen. Da hatte doch Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (CDU) den leichtfertigen Vorschlag gemacht, am 3. Oktober in Sachen deutscher Einheit die Glocken zu läuten und gleich gab's Streit. Ein Sprecher des Bistums Essen giftete, es gebe „überhaupt keinen Anlaß, sich ein von oben verordnetes Fest aufdrücken zu lassen“. Auch die evangelische Kirche will nicht bimmeln. „Ein symbolisches Glockenläuten gibt es bei uns nicht“, sagte eine Sprecherin. Nur Kardinal Meisner aus Köln schießt quer. Er ist fest entschlossen die Einheit mit seiner neuen Domglocke einzuläuten.

Karl Wegmann

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