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Schwere Zeiten für die Justiz

■ Am 3. Oktober werden die Ostberliner Juristen vorerst arbeitslos / Gesamtberliner Gremium wird über die Weiterbeschäftigung befinden

Berlin. Auf die Berliner Justiz kommen schwierige Zeiten zu. Nach dem Einigungsvertrag werden am 3. Oktober die Ostberliner Gerichte und die Staatsanwaltschaft aufgelöst. Ihre Aufgaben werden von der Westberliner Justiz übernommen. Ob die Juristen in die künftige Gesamtberliner Justiz übernommen werden, ist noch unklar. Ein Verlierer steht aber jetzt schon fest: Richter erwarten, „daß die Bürger durch die Mehrbelastung der Westberliner Gerichte auf ihr Recht länger warten müssen“.

Bei den Westberliner Juristen gibt es erhebliche Vorbehalte gegen die Einstellung von DDR-Richtern. Ein bekannter Westberliner Strafverteidiger brachte die Haltung der Kritiker auf den Punkt: „Wer in der DDR in der Justiz arbeitete, mußte wissen, welchem Unrechtssystem er dient.“ Deshalb seien DDR-Richter und Staatsanwälte kaum tragbar. Auch fachlich sei die Übernahme kaum gerechtfertigt: „Die Ausbildung der DDR-Juristen entspricht doch gerade mal unserem ersten Staatsexamen.“

Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) sehe dagegen „gute Chancen“ für die Ost-Kollegen. Sie rechne damit, daß der Gesamtberliner Richter-Wahlausschuß die Ostberliner Richter in ihrem Amt bestätige. Das Gremium wird aber erst nach den Berliner Wahlen am 2. Dezember mit der Arbeit beginnen können.

Bis dahin will die Justizverwaltung die DDR-Juristen mit dem bundesdeutschen Recht vertraut machen. Zeit genug werden die Ostberliner Juristen dafür haben, da ihre Arbeitsverhältnisse bis zur Bestätigung oder Ablehnung durch die Kommission „ruhen“.

Welche Maßstäbe der Richter-Wahlausschuß an die politische Vergangenheit der Ostberliner Juristen anlegen wird, ist noch unklar. In einer Diskussionsveranstaltung vor Ostberliner Richtern blieb die Justizsenatorin am Donnerstag eine befriedigende Antwort schuldig. „Die Frage der Richterauslese ist schwierig“, sagte Limbach. Der Vorsitzende des Westberliner Richterbunds, Victor Weber, sagte, allein die Mitgliedschaft in der SED könne nicht zur Ablehnung führen. Das würde für die meisten Ostberliner Juristen das berufliche Aus bedeuten. Rund 80 Prozent der Richter und 95 Prozent der Staatsanwälte waren in der Einheitspartei.

Auf jeden Fall werden die Westberliner Gerichte durch die erweiterte Zuständigkeit auf Jahre hinaus Aktenberge vor sich herschieben. Schon jetzt müssen die Westberliner vor den Zivilgerichten bis zu sechs Monate auf eine Verhandlung warten.

dpa

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