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Die neue „Star Trek„-Generation

■ „Computer-Logbuch der Enterprise - Sternzeit 41242.6 - Captain Picard“

Von Harald Keller

Osnabrücker Kinogänger, die sich am 16.November vergangenen Jahres eingefunden hatten, um gleich am Tag des Bundesstarts das fünfte abendfüllende Abenteuer des Raumschiffes Enterprise zu verfolgen, staunten nicht schlecht: Schon an der Kasse begegnete ihnen ein junger Mann in der Original -Uniform der Föderation. Für Steffen Wietek, einen 21jährigen Lehramtsstudenten und nebenberuflich in einem Kino beschäftigt, war dies eine der seltenen Gelegenheiten, seine maßgeschneiderte Star Trek Uniform öffentlich tragen zu können.

Wietek ist ein „Trekker“, ein organisierter Fan der amerikanischen Science-Fiction-Serie Star Trek, die bei uns unter dem Titel Raumschiff Enterprise zu sehen war. „Trekker“, so macht Wietek gleich zu Beginn deutlich, unterscheiden sich von den sogenannten „trekkies“, die sehr viel oberflächlicher mit der Kultserie umgehen.

Premiere hatte diese Serie, die heute weltweit nachgerade kultisch verehrt wird, am 8.September 1966. Für die Produzenten geriet sie zunächst zum Flop; die Werbekunden und Sponsoren hatten keinerlei Interesse an einer Sendung, die vorwiegend jugendliche ZuschauerInnen ansprach. Die ersten Staffeln wurden zu Billigpreisen an kleine Stationen mit begrenzter Reichweite und geringen Etats verramscht. Dort liefen sie zur besten Sendezeit im Vorabendprogramm und wurden unerwartet zum Hit. Das Ergebnis: Weitere Folgen wurden gedreht, die Hauptdarsteller zu hochdotierten Stars, fünf Kinofilme, Sachbücher und Romane folgten, und eine Unmenge von Fan-Accessoires überschwemmen den Markt.

Das Besondere dieser Serie lag und liegt in der sorgfältigen Ausarbeitung einer komplexen Legende. Die Star Trek-Welt ist ein eigenes kleines Universum, bei dessen Entwurf die jeweils neuesten Erkenntnisse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen berücksichtigt werden. Wie wichtig den Produzenten die Ausgestaltung dieser Zukunftsvision ist, zeigt die Tatsache, daß für die Klingonen, einst fremdartige Gegenspieler der Enterprise -Besatzung, von Sprachwissenschaftlern eine eigene Kunstsprache entwickelt wurde, die die Darsteller dieser Wesen mühsam erlernen mußten.

Die leidenschaftliche Verehrung so vieler Fans erklärt sich vielleicht einfach aus der Tatsache, daß sie ernst genommen werden. Gene Roddenberry, der geistige Urheber von Star Trek, machte dazu eine ironische Bemerkung: „Sie müssen wissen, daß wir, im Gegensatz zu vielen Verantwortlichen der Fernsehbranche, immer behauptet haben, es müsse auch jenseits der Fernsehröhre intelligente Lebensformen geben. Was wir aber nie und nimmer erwartet hatten, war eine solche Flut zustimmender und interessierter Kommentare.“ George Takei, der Darsteller des Sulu, betont die ideologische Komponente der Serie: „Die Abenteuer von Raumschiff Enterprise vermittelten - und dies nicht nur in Worten -, daß Menschen auf ihre kulturellen Wurzeln stolz sein können, ohne an sie gebunden zu sein. Sie sollen durch ihre Kultur weder beschränkt noch voneinander getrennt werden, Menschen können aus jeder Kultur das Beste auswählen - in Liebe und gegenseitigem Respekt unabhängiger Individuen.“ Damit spielt Takei an auf die von den Autoren der Serie den Vulkaniern zugesprochene I.D.I.C.-Philosophie, d.h. Infinite Definitions with Infinite Combinations, unendliche Vielfalt durch unendliche Kombinationsmöglichkeiten. Das hört sich ein wenig versponnen oder auch verquast an, färbt aber dennoch auf die Realität ab. „Trekker“ sind, so bestätigt Steffen Wietek, eher progressiv als konservativ und vor allen Dingen tolerant eingestellt.

Die Fan-Betreuung ist der Produktionsfirma Paramount außerordentlich wichtig. Richard Arnold, vormals selbst „Trekker“ und somit intimer Kenner der Materie, ist eigens angestellt, den Fanwünschen nach Informationen nachzukommen und die künstliche Star Trek-Welt in der realen zu vertreten. Er bereist unter anderem die sogenannten conventions, regionale oder überregionale Treffen der „trekker“, auf denen Sammelobjekte wie Autogramme, Originalteile der Dekorationen oder Kostüme gehandelt, getauscht oder zugunsten wohltätiger Organisationen versteigert werden, auf denen spezialisierte Händler Star Trek-Zubehör feilbieten und auf denen häufig die Stars der Serie in persona auftreten, denn auch ihnen ist der Kontakt zu den Fans sehr wichtig.

Steffen Wietek, der Mann mit der Uniform, ist einer von ihnen. Dem Klischeebild vom weltfremden Videonauten entspricht er nicht. Er kann schallend lachend über die eigene Obsession und hat seine Freude auch an Parodien der geliebten Serie. „Das ist das Schöne daran“, sagt er, „daß man auch darüber lachen kann.“ Er fand erst relativ spät zu den trekkern; eigentlicher Anstoß war der vierte Kinofilm mit der Enterprise. Inzwischen hat er alle 78 Folgen auf Video, je einmal in der synchronisierten und in der originalen Fassung, da die deutschen Sendungen mitunter recht willkürlich - auf den damaligen Sendeplatz im Wortsinn zugeschnitten, will sagen um einige Minuten gekürzt wurden. Wietek ist Mitglied im Hamburger Fanclub United Federation of Star Trek Fans (benannt nach der in den Filmen vorkommenden United Federation of Planets), der über 200 Mitglieder zählt. Neben diesem gibt es weitere Clubs in Deutschland und natürlich in der ganzen Welt. Allein der Official Star Trek Fanclub hat weltweit mehr als 30.000 Mitglieder. Was die zahlreichen Fans an dieser Serie so begeistert, umschreibt Steffen Wietek so: „Es sind immer die Charaktere, die Raumschiff Enterprise ausgemacht haben, und der Zusammenhalt der Mannschaft, nicht das Aussehen oder das Durchgestylte. Die Charaktere stehen eben doch im Mittelpunkt, nicht die Technik wie in Star Wars zum Beispiel, wo George Lucas am liebsten überhaupt keine Darsteller mehr einsetzen würde.“

Mit etwas gemischten Gefühlen begegnet Wietek dem 1987 installierten neuen Star Trek-Nachfolger The Next Generation, die vom ZDF Das nächste Jahrhundert genannt wurde. Für ihn ist die Neuauflage nur ein müder Abklatsch von Star Trek Classic. Die amerikanischen Fans indes haben The Next Generation akzeptiert, und die Popularität der jüngeren Figuren erreicht bereits annähernd die der Altstars. Captain des ganz neuen, von der alten Enterprise sich technisch und optisch unterscheidenden Raumschiffes ist Jean-Luc Picard, der von Anfang an eine Glatze trägt und darum wohl nicht - wie „Kirk„-Darsteller William Shatner - laufend mit neuen Toupets versorgt werden muß. Der erste Offizier ist ein mustergültiger amerikanischer Saubermann mit Namen William Riker, ein Charakter wie aus einem B-Film der fünfziger Jahre. Der schwarze Lieutenant Geordie LaForge ist zwar blind, kann sich aber mit Hilfe eines Sehgerätes nicht nur problemlos orientieren, sondern auch noch Materialanalysen vornehmen. Mit ihren telepathischen Fähigkeiten fungiert Deanna Troi als Spezialberaterin, und die spröde Tasha Yar werkelt als Sicherheitsbeauftragte im Rang eines zweiten Lieutenants. Der Androide Data (sic!) ersetzt mit seinem enzyklopädischen Wissen den legendären Mr.Spock, Dr.Beverly Crusher ist Nachfolgerin des spitzzüngigen Doc „Pille“ McCoy. Sie hat ihren vorlauten, technikbegeisterten Sohn mit an Bord gebracht, der für einigen Wirbel sorgt, aber ein ums andere Mal auch das ganze Schiff retten wird - so soll amerikanischer Nachwuchs sein! Zur Mannschaft gehört im Zeitalter der Aussöhnung ferner ein klingonischer Latexhaufen namens Worf. All diese und noch eine Menge anderer Besatzungsmitglieder sind mit der Mission betraut, in den Weiten der Galaxis nach unbekannten Lebensformen zu suchen. Und dafür sind seit gestern „alle Frequenzen offen!“

Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrundert, jeden Freitag um 17.45 Uhr im ZDF

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