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Amerikanische Träume

■ Zwei Alan-Rudolph-Filme in der ARD: „Trouble in Mind“, heute um 23 Uhr

Seit seinem Regiedebüt Welcome in L. A. gilt der Kalifornier Alan Rudolph als einer der Regisseure des neuen amerikanischen Kinos, den man im Auge behalten sollte. Seine Filme wirken eigenwillig, obwohl sie zugleich in Stil und Themen den Einfluß seines wichtigsten Lehrmeisters Robert Altman zeigen. Der war auch Produzent seines Erstlingswerks.

Das ARD-Nachtstudio stellt nun zwei seiner jüngeren Filme, die beide recht erfolgreich in bundesdeutschen Kinos liefen, im Fernsehen vor: Trouble in Mind aus dem Jahre 1985 und The Moderns, 1987 entstanden und von der ARD-Redaktion der Eindeutigkeit halber mit Wilde Jahre in Paris übersetzt.

Die ehemalige taz-Kritikerin Renee Zucker, die Trouble in Mind 1986 auf den Berliner Filmfestspielen sah, zeigte sich seinerzeit besonders beeindruckt von „den vielen Schwarzen, die Alan Rudolphs Filme bereichern“, von dem Sonnenuntergang am Ende und der Musik. „Marianne Faithful singt und Kris Kristofferson wird nach Jahren aus dem Knast entlassen: ein Ex-Bulle, der den dicken Adolph erschossen hat, und zwar mitten zwischen die Augen.

Warum es ausgerechnet der dicke Adolph sein mußte, warum der Oberbulle Gunther heißt und warum das fiktive Rain City, wo sich alles abspielt, unter Militärregierung steht, bleibt unklar. Kristofferson geht auf jeden Fall nach seiner Entlassung zu Wandas Cafe. Wanda (Genivieve Bujold) ist die Frau um die vierzig mit all der Mütterlichkeit, dem Mißtrauen und der klugen Lebenserfahrung, die dei Besitzerin eines Frühstückscafes braucht, um ihren Gästen eine gute Gastgeberin zu sein und die sich trotzdem von zu viel Emotionen und Leidenschaften freihalten kann.

Kristofferson ist der Mann, der die Frauen liebt, aber er ist auch der Mann. Der die junge, blonde Unschuld für vielversprechender hält als die mühselige Arbeit, die ihm ein Zusammensein mit Wanda garantiert. Die blonde Unschuld heißt Georgia (Lori Singer), sieht wirklich sehr liebenswert aus und lebt mit Coop (Keith Carradine), dem typisch charmanten Versager, und ihrem Baby im Wohnmobil. Am Ende fahren Georgia und Kris in einem tollen Sportwagen über die Berge in einen unerträglich schönen und unerträglich langen Sonnenuntergang hinein... Ein sehr schöner Film“, schrieb sie damals.

In The Moderns, den die ARD am 24. September zeigt, verlegt Alan Rudolph seinen „urbanen Realismus“ in eine vergangene Epoche: in das Paris der zwanziger Jahre, die Hauptstadt der Moderne, dem Mekka des Kunsttourismus und der Intelektuellen. Legendäre Gestalten jener Jahre wie Ernest Hemmingway und Gertrude Stein werden lebendig. Ihre berühmten Treffpunkte - Cafes, Salons, bestimmte Boulevards

-ließ Rudolph in einem Studio in Montreal detailgetreu rekonstruieren.

Wichtigster Protagonist in seinem Film ist der junge amerikanische Maler Nick Hart (Keith Carradine), der wie viele Künstler faziniert ist vom Leben der Pariser Boheme. Eine reiche Kunstsammlerin (Geraldine Chaplin) überredet ihn, für zweifelhafte Zwecke die Meisterwerke von zeitgenössischen Künstlern wie Matisse, Modigliani und Cezanne zu kopieren. Das hat ungeahnte Folgen.

Zur Idee des Films sagte Rudolph in einem taz-Interview: „Irgendwie war The Moderns immer der nächste Film, den ich drehen wollte. 1978 war ich schon einmal nahe dran: Ich war mit Keith Carradine, für den ich das Buch geschrieben hatte, in Paris, und wir hatten schon Mick Jagger für eine Rolle gewonnen. Dann wurde nichts daraus. Jon Bradshaw, der ein guter Romanautor und ein Freund von mir war, fand, daß meinem Drehbuch zwei Dinge fehlten: eine richtige Struktur und die Leichtigkeit. Mir kam es auf den Geist der Epoche an, nicht auf die historische Genauigkeit. Und das ist auch eines der Merkmale dieser Zeit: Es gibt keine Fakten, alles ist ein Mythos. Die zwanziger jahre waren wie eine große Party, bei der sich das 20. Jahrhundert zum ersten Mal selbst feierte. Das ist die Ursache eines großen Mißverständnisses: Wenn Sie in ein beliebiges modernes Museum gehen, werden Sie feststellen, daß alle Durchbrüche in der modernen Kunst nicht in den zwanziger Jahren, sondern lange davor stattgefunden haben. Die zwanziger Jahre waren die Feier der Durchbrüche.

Für mich besteht die Kunst der späten zwanziger Jahre nicht in der Malerei, sondern in der Kunst des Kaufens und Verkaufens. Für mich ist allerdings der Kubismus der entscheidende Durchbruch in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Mein erster Impuls war: Wie gern würde ich einen kubistischen Film machen! Aber das kann man nicht, oder zumindest ich kann es nicht. Vielleicht hätte ich es zu einem bestimmten Zeitpunkt wirklich versucht, aber ich wollte schließlich auch einen unterhaltsamen Film machen. Meiner Ansicht nach ist der Stil des Films sehr konservativ.“

Utho

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