: Feuilletonistisches Geschwafel
■ betr.: "Der Steinwurf als plastische Handlung" (Ein Gespräch mit dem Skulpturisten Olfa Metzel) von Ulf Erdmann Zieger, taz vom 29.8.90
betr.: „Der Steinwurf als plastische Handlung“ (Ein Gespräch mit dem Skulpturisten Olfa Metzel) von Ulf Erdmann Zieger,
taz vom 29.8.90Es mag im Grunde sinnlos sein und sich eher jeremiadenpflichtig, wohl kaum als dialogtüchtig erweisen, einige Anmerkungen ausgerechnet zu dem oben genannten Gespräch zu machen.
Doch da nun selbst die tazlerInnen sich nicht scheuen, einem an Borniertheit kaum noch zu überbietenden feuilletonistischen Geschwafel eine ganze Seite zu widmen, sollte es nichtsdestotrotz erlaubt, ja dringend geboten sein, einiges hierzu anzumerken.
Denn das, was dort von Ziegler in der Manier „postmodernistischer Selbstreferentialität“ zum besten gegeben wurde, unterbietet noch um einiges das Niveau von diversen, eklig affirmativen Hochglanzkunstmagazinen und ist, meiner Ansicht nach, für eine Zeitung nicht tragbar, die etwas „quer“ liegt zur herrschenden und beherrschenden Meinung.
Was die Antworten und Repliken des skulpturistischen „Guerillero“ Metzel angeht, so diskreditieren sie sich weitgehend selbst, sie vermögen es nicht einmal, über das auf Stammtischniveau gehaltene bloße Szenegeplapper hinauszugelangen und bestätigen gleichsam die von Carl Einstein bereits in den dreißiger Jahren entworfene These, daß „Die Moderne“, die aufrüherisch sich gebärdet, im Grunde reaktionär arbeitet und der späte Erbe des uralten Idealismus ist. (Carl Einstein, Die Fabrikation der Fiktion).
Die jüngere Kunstgeschichte mag zwar mit einigem Recht behaupten, daß jede neue Kunstäußerung mit Rebellion eingesetzt hat, die jedes authentische Kunstwerk verkörpert, doch zeigt die heutige „postmoderne“ Gesellschaft gerade darin ihre Stärke, daß sie durch gezielte Interessenlancierung, durch die Verbindung von Unterdrückung und Ermunterung, es hervorragend versteht, jede irgendwie rebellierende Kunstäußerung zu assimilieren und auf dem Niveau der offiziellen Anerkennung zu kontrollieren; wo sie im übrigen als Attribut ihrer Legitimität, den Herrschenden gegenüber den Beherrschten, äußerst zweckdienlich ist.
Und hierzu kann nichts ätzend, anrüchig oder auch nur unscheinbar genug sein, um von der in Derniers Cris vergafften, illustren Kulturgesellschaft als Ausdruck ungehemmter künstlerischer Freiheit gefeiert zu werden. Es ist schließlich die Grundfigur von rechts, Absurdität gegen Identität einzutauschen und soziale Verbindlichkeiten mit kulturellen Identitätsmustern zu paralisieren.
Der Berliner Galerist Fahnemann tut dann, Metzels Arbeiten bezüglich, ein übriges, um die „Signale der Ekstase“ (Ziegler) in wichtige Ausstellungen zu schleusen, sodann auf kommerzieller Ebene zu entschärfen - sofern sie überhaupt Explosives implizieren - bei Anhebung der Preise versteht sich.
Doch schon die Aura des irgendwie Renitenten ist überblendet durch die willfährige Inhaltlichkeit des Metzelschen Formwillens, welcher allzu vordergründig einem persönlichen Image, einem Trend verpflichtet bleibt, weniger einer Sache oder dem Ringen mit der Materie.
Wenn also ein Gegenwartskünstler wie Olaf Metzel, der sich seiner professoralen Bestallung mit Pensionsanspruch bereits sicher sein kann, unter dem Begriffsetikett „Guerillero der Skulptur“ fungiert, dann sollten taz-LeserInnen wissen, daß sie es hier mit einem Schurkenstück postmoderner Verdrehung zu tun haben, von dem genau das Gegenteil des Deklarierten seine unumstößliche Faktizität besitzt.
Karl Siegel, Bildender Künstler in Kassel und Köln
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