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Polen fühlen sich zunehmend isoliert

■ Nach der Einführung des Visumzwangs für Polen kam es an der österreichischen Grenze zu tumultartigen Szenen

Aus Warschau M. Guz-Vetter

Das Telefon der österreichischen Botschaft in Warschau ist ständig besetzt, und vor dem Gebäude herrscht große Verwirrung. Schon bevor die Visapflicht (Freitag, 0.00 Uhr) für Polen eingeführt wurde, die Österreich besuchen wollen, bildete sich dort eine Menschenschlange. Am nächsten Morgen standen schon über 600 Personen auf der Warteliste. Doch sollen nach Informationen aus der Botschaft nur 100 Anträge täglich bearbeitet werden. Von den „Glücklichen“, denen es gelungen ist, in die Botschaft überhaupt hereinzukommen, wird außer dem Paß und dem Visaantrag auch ein Bankbeleg über Devisenguthaben verlangt.

Von der Einführung der Visapflicht haben die Polen bereits am Dienstag erfahren. Wer konnte, packte noch schnell die Koffer und reiste Richtung Grenze. Polnische Zeitungen berichten von chaotischen Szenen, die sich an der österreichisch-slowakischen Grenze bei Berg-Petrzalka abspielten. Vier Kilometer lang war die Schlange der polnischen Autos und Reisebusse, die Wartezeit betrug etwa sechs Stunden. Als die slowakische Polizei einen Streifen für polnische Autos sperrte, um anderen Ausländern die Durchreise zu ermöglichen, blockierten die Polen kurzerhand den Grenzübergang. Herbeigeeilte polnische Konsularbeamte versuchten, die Emotionen zu dämpfen und mit den Grenzbeamten zu verhandeln.

Konsul Przychodzien äußerte sich aber in der 'Gazeta Wyborcza‘ kritisch gegenüber den eigenen Leuten. Viele Polen hätten sich skandalös benommen, seien betrunken gewesen und hätten Grenzbeamte und andere Touristen belästigt. Daß jetzt ein Visumzwang eingeführt wurde, ist in Warschau offiziellerseits mit Bedauern, ja mit Kränkung aufgenommen worden. Wie vielen anderen Polen auch, ist aber der Schmuggel den Offiziellen ein Dorn im Auge. Manche Polen schämen sich angesichts der Machenschaften ihrer Landsleute im Ausland.

Ob die verschärften Einreisebestimmungen aber Händler behindern, ist fraglich. Schon einen Tag nach dem Inkrafttreten der neuen Regelung waren sie zahlreich vor der österreichischen Botschaft in Warschau versammelt. Normale Touristen geraten angesichts der aggressiven Atmosphäre und des nötigen Zeitaufwands ins Hintertreffen. So ist es kein Wunder, wenn die Wut auf diese Leute größer wird. Denn ihnen wird die Schuld an den Schwierigkeiten gegeben.

Nachdem die Einreise in andere Staaten nun für polnische Bürger erschwert ist, entsteht die Frage, wie ein Polen, das de facto nach außen hin abgeschlossen wird, den Weg zur europäischen Marktwirtschaft schaffen kann. Freies Reisen ist eine der wichtigsten Grundlagen des internationalen Handels. So ist es nicht verwunderlich, wenn jetzt viele Polen Österreich vorwerfen, die gerade begonne Öffnung zwischen Ost und West zu behindern.

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