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Politische Lösung im Zentrum des Gipfels

■ Das Treffen der beiden Präsidenten Bush und Gorbatschow in Helsinki ganz im Zeichen einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Golfregion / Zusicherung begrenzter Präsenz der US-Truppen

Aus Helsinki Andreas Zumach

Gemeinsamkeit und Entschlossenheit bei der Durchsetzung der UNO-Resolutionen gegen den Irak demonstrierten die Präsidenten der USA und der UdSSR, George Bush und Michail Gorbatschow, zum Abschluß ihres mehr als fünfstündigen Gipfeltreffens gestern in Helsinki. Zu konkreten Maßnahmen, die über die bisherigen UNO-Resolutionen hinausgehen, wollten sich die beiden Präsidenten nicht äußern. Bush erklärte, er habe Gorbatschow zugesagt, daß die US-Truppen in der Golfregion „nur so lange dort bleiben, bis die Sicherheitsinteressen dieser Region gewährt und die UNO -Resolutionen erfüllt sind“. Gorbatschow nannte diese Zusage „sehr wichtig“.

In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigen die beiden Präsidenten die bisherigen UNO-Resolutionen und forderten den Irak zum „bedingungslosen Rückzug aus Kuwait“ auf. „Nichts weniger als die komplette Umsetzung der UNO -Resolutionen ist akzeptabel“, heißt es weiter. Die Präsidenten einigten sich darauf, daß Nahrungsmittellieferungen nach Irak und in das besetzte Kuwait erlaubt werden sollen unter den in UNO-Resolution 661 aufgeführten „humanitären“ Umständen. Die Präsidenten beauftragten ihre Außenminister, mit „Ländern innerhalb und außerhalb der Region regionale Sicherheitsstrukturen zur Förderung des Friedens“ zu erarbeiten. Es sei essentiell, „alle Konflikte in der Nahost-Region und am Persischen Golf zu lösen“.

Beide Präsidenten betonten, es sei bei ihrem Gespräch ausschließlich um eine „politische Lösung“ des Konfliktes gegangen. Über militärische Aktionen sei nicht diskutiert worden. Gorbatschow erklärte die Frage nach den verbliebenen sowjetischen Militärberatern am Golf als „nebensächlich“. Im Gegensatz zu dieser Darstellung stehen Informationen sowjetischer Delegationsmitglieder, die gegenüber der taz Positionen umrissen hatten, mit denen Gorbatschow nach Helsinki gereist war. Schon im Vorfeld des Gipfels hatte eine Verständigung zwischen Moskau und Washington stattgefunden. Danach ist die UdSSR bereit zur militärischen Präsenz im Golf, wenn der UNO-Sicherheitsrat einen Beschluß zur Aufstellung einer UNO-Truppe gemäß Artikel 47 der UNO -Charta faßt. Dabei müssen alle in der Golfregion versammelten Streitkräfte einem UNO-Oberkommando unterstellt werden. Wegen des nach wie vor starken „Afghanistan -Syndroms“ in der eigenen Bevölkerung wolle Moskau allerdings keine Bodentruppen entsenden. Gorbatschow müsse ansonsten mit „Protestdemonstrationen von Soldatenmüttern“ rechnen. Möglich sei die Verlegung sowjetischer Kriegsschiffe in den Golf.

Vor seinem Abflug nach Helsinki hatte Präsident Bush in Washington erklärt, er wolle Gorbatschow nicht um eine Beteiligung am internationalen Truppenaufmarsch in Saudi -Arabien ersuchen.

Bei einem vor allem von der politischen Rechten in Washington geforderten Abzug der 193 sowjetischen Militärberater aus Irak befürchtet Moskau, daß Saddam Hussein einige der immerhin noch rund 7.000 im Irak befindlichen männlichen Sowjetbürger als Geisel nimmt. Gorbatschow wollte nach Angaben von Delegationsmitgliedern sein Nein mit dem Hinweis akzeptabel machen, die intimen Kenntnisse der 193 Militärberater über die interne Lage im Irak könnten beiden Großmächten von Nutzen sein.

Moskau ist bereit, eine Ausdehnung der bislang vom UNO -Sicherheitsrat verhängten Seeblockade Iraks auf die Luftverkehrswege mitzutragen. Bush strebt Informationen aus seiner Delegation zufolge eine entsprechende Zusicherung Gorbatschows an. Es gebe „Beweise“, wonach Libyen unter Verletzung des Wirtschaftsembargos Vorräte in den Irak geflogen habe. Westliche Politiker und Militärs, vor allem in Großbritannien, äußerten sich inzwischen allerdings skeptisch über eine solche auch vom EG-Außenministertreffen in Rom vorgeschlagene Lufblockade.

Bei der von Außenminister Schewardnadse kurz vor Beginn des Gipfels erneut geforderten internationalen Nahost-Konferenz gehe es nach Angaben sowjetischer Diplomaten „nicht um die Verquickung und die zeitgleiche, voneinander abhängige Behandlung“ der Konflikte in der Region, wie dies Saddam Hussein am 12. August und am Samstag erneut gefordert hat. Die Konferenz solle in „drei Stufen“ zunächst eine politische Lösung der Golfkrise aushandeln, sich danach dem israelisch-palästinensischen Konflikt und zuletzt dem Libanon-Problem widmen. Vertreter der israelischen Regierung hatten in den letzten Tagen wiederholt eine auch nur ansatzweise mit der Golfkrise in Verbindung gebrachte Behandlung der Palästinenserfrage kategorisch abgelehnt.

Bush wollte Gorbatschow gestern auch die Lieferung von US -Öltechnologie im Austausch gegen sowjetisches Rohöl sowie einen Zwei-Milliarden-Dollar-Kredit für den Kauf amerikanischer Agrarprodukte anbieten. In Helsinki dabei war am Wochenende eine Delegation von zwölf US-Konzernchefs unter Führung von Handelsminister Moosbacher. Sie führt heute Verhandlungen in Moskau.

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