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»Dreister Griff in die Stadtkasse«

■ Schwierzina und Nagel wettern gegen Umwandlung der Baudirektion in Privat-GmbH/ Baudirektion verfügt ab 30. September über City-Grundstücke im Schätzwert von einer Milliarde Mark

Ost-Berlin. Zu einem Millionenskandal wächst sich die Umwandlung der Ostberliner Baudirektion in eine private GmbH aus. Wie Ost-Berlins Oberbürgermeister Tino Schwierzina und Bausenator West Wolfgang Nagel gestern erklärten, geht die Privatisierung der Baudirektion auf einen Beschluß des Ministerrats der DDR zurück. Die Baudirektion solle »unter Einbeziehung aller Vermögenswerte und Grundstücke« bis zum 30. September in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt werden, heißt es dort. Die Gesellschaft wird damit über City-Grundstücke in bester Lage von insgesamt 200.000 Quadratmetern im Schätzwert von einer Milliarde Mark verfügen. Alleiniger Gesellschafter dieser GmbH ist die staatliche Treuhand, in der viele ehemalige Mitglieder des alten SED-Apparates mitarbeiten. Das sei ein »beispielloser zentralistischer Eingriff«, wetterte Bürgermeister Schwierzina. Er kündigte an, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Falls der Ministerrat seinen Beschluß nicht binnen dieser Woche zurückziehe, werde man eine einstweilige Verfügung dagegen erwirken. Denn die Stadt Berlin würde nicht nur in ihren stadtplanerischen Möglichkeiten behindert, dies sei vor allem ein dreister Griff in die Stadtkasse. Das gewaltige Vermögen der Baudirektion stehe Berlin zu, sowohl nach dem kommunalem Vermögensgesetz als auch nach dem Treuhandgesetz. Nun müßte die Stadt womöglich von der Baudirektion die Wohnungen zurückkaufen, die sie selbst in Auftrag gegeben habe.

Die Baudirektion galt zu SED-Zeiten als »Hofbaumeister« des Politbüros. Sie ist für sämtliche Prachtbauten in der Friedrichstraße zuständig, etwa den Friedrichstadtpalast, aber auch für die Wohn- und Gewerbeblöcke an der Grotewohlstraße oder den Wiederaufbau des Deutschen und Französischen Doms. Damit betreue sie im wesentlichen kommunale Bauten, die also Berlin gehörten, meinten Schwierzina und Nagel. Außerdem sei die Baudirektion 1984 gemeinsam vom Ministerrat wie vom Magistrat gegründet worden, so daß der Ministerrat jetzt nicht einfach damit einseitig nach Belieben verfahren könne.

Nagel vermutete, daß der »berlinfeindliche« Grundstückscoup im Einverständnis mit der Bonner Regierung geplant worden sei. In Bonn stritt man das ab. »Wir haben erst im nachhinein davon erfahren und sind auch unglücklich darüber«, sagte der zuständige Referatsleiter im Bundesbauministerium, Preibich. Der Bundesfinanzminister werde darauf hinwirken, daß die Grundstücke der Baudirektion nicht an private Bauunternehmer gehen. Aber man könne die Treuhand nun erst nach dem 3. Oktober veranlassen, die Grundstücke doch noch an das Land Berlin zu übertragen. Eva Schweitzer

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