piwik no script img

ISDN—eine Technik wird akzeptabel

■ „In jeder WG ein PC“ / Allerdings erfolgreiche Kampagne gegen die Datenspeicherung bei der Post

Berlin (taz) — Vielen begegnet die umstrittene Technik schon tagtäglich beim Telefonieren: Fehlt das gewohnte Relaisklackern und ertönt nach einer kurzen Pause ein weiches „hüüt — hüüt“ als Rufzeichen im Hörer, wird der Anruf über einen der neuen ISDN-fähigen Vermittlungsrechner abgewickelt, die auch den normalen Telefonverkehr erledigen.

Trotzdem scheint den VerdatungsgegnerInnen aus Basisgruppen, Gewerkschaften und Informatik-Studiengängen beim Thema ISDN (siehe nebenstehenden Kasten) etwas der Wind aus den Segeln genommen zu sein. Es mangelt an „bewegungsrelevanten“ Ansatzpunkten — so war es zuletzt auch beim 3. Aktionsseminar der Initiativen gegen Computervernetzung in Heidelberg zu erkennen. In der Szene freundet man sich mit elektronischem High-Tech zunehmend an, frei nach dem Motto: „In jeder WG steht ein PC.“ Und auch der Umgang mit dem Fax-Gerät gehört inzwischen zum guten Ton.

So wird auch die fortschreitende Etablierung des „Instituts für Informationsökologie“ (IKÖ) mit gemischten Gefühlen diskutiert. Schon der Name sei irreführend, wird eingewendet, da elektronische Medien keinesfalls ein Bestandteil der Umwelt bildeten. Doch die IKÖ-Kampagne gegen die Speicherung der Verbindungsdaten und den Einzelgebührennachweis (EGN) hat offenbar Erfolg. Medienwirksam vor allem vom ISDN-Gegenpapst Herbert Kubicek betrieben, hat die Anspielung „Nach der Volkszählung nun die Kommunikationszählung?“ dazu beigetragen, daß die Postministerialen zunehmend nachdenklich werden.

Die Deutsche Telekom selbst überlegt nämlich, auf die Datensammelei teilweise zu verzichten. Auf Antrag sollen unter anderem die Verbindungsdaten nicht mehr gespeichert werden. So läßt sich Ärger mit den Datenschutzbestimmungen vermeiden — den EGN gibt es ohnehin nur auf besonderen Wunsch. Eine neuerliche Pleite wie beim Bildschirmtext kann sich die Telekom nicht leisten, denn Hunderte von Millionen sind bereits in die neue Technik investiert, und hohe Beträge wurden von Post wie Geräteherstellern für die ISDN-Werbung verbraten.

Trotzdem ist die Resonanz katastrophal; die bisher entwickelten Endgeräte sind sehr teuer, und technische Probleme tun ein Übriges. Erledigen sich die Überwachungs- und Rationalisierungsgefahren des Daten-Highways von selbst? Mitnichten, so die InitiativlerInnen: Schließlich sei die Erstellung von Kommunikationsprofilen im ISDN trotz des möglichen Selbstverzichts der Telekom technisch weiter möglich. Außerdem sind solche Profile durch die Modernisierung des Telefonnetzes mit digitaler Vermittlungstechnik auch bei normalen Telefonverbindungen praktizierbar — gespeichert wird bereits. Ein Mißbrauch unter veränderter politischer Großwetterlage bleibe denkbar.

Dem IKÖ werfen sie deshalb „Akzeptanzbeschaffung“ für die Einführung des Digitalnetzes vor, da eine Art Gütesiegel vergeben werde, wenn allein dem gesetzlichen Datenschutz Genüge getan sei. Bezahlt würden die immensen ISDN-Investitionen momentan von den gemeinen TelefonkundInnen mit ihren Gebühren — doch ob sie damit je etwas anfangen können, ist fraglich. Viele der in bunten Postprospekten angepriesenen Innovationen dürften, wenn denn überhaupt, nur im Büro Sinn machen. Frank Holzkamp

Weitere Informationen bei: TelekommunikAKTION, c/o Contraste, Postfach 104 5420, 6900 Heidelberg 1

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen