Skandal: Deutsche Adlige arbeiten!

Also das geht nun wirklich zu weit! Eine echte Prinzessin, die den Putz von den Wänden schlägt, ein Baron, der mit eigenen Händen den Bauschutt wegkarrt — es ist zum Heulen. Mit schnöder Hausarbeit müssen sich Deutschlands Adlige abplagen, um ihre bescheidenen Familiensitze zu retten. Prinzessin Heide von Hohenzollern versucht ihr Schloß Namedy bei Andernach und Baron Antonius von Salis-Soglio seine Burg in Gmünden vor dem Verfall zu bewahren. Die blaublütigen Herrschaften versuchen, mit Humor den Skandal herunterzuspielen. „Es ist ein Abenteuer, das sehr reizvoll ist“, versucht die Prinzessin ihren Arbeitseinsatz zu begründen. Selbst Kinder, Freunde und Bekannte mußten mit anpacken, um den zu Beginn des Jahrhunderts von Lohnsklaven erbauten Spiegelsaal zu entrümpeln. Stumpfes Parkett, Löcher in der Wandpaneele, und trotzdem: Bei Konzerten in dem provisorisch hergerichteten Saal verzaubern Harfen, Geigen und Flöten schon jetzt die Besucher und erinnern an den Glanz vergangener Tage. Rund eine Million Mark sind allein für die Instandsetzung des Haupttraktes des aus dem 13.Jahrhundert stammenden Wasserschlosses veranschlagt. „Die Zahlen haben mir schon schlaflose Nächte bereitet“, gibt die arme Adlige zu.

Durchlauchten an Rhein und Hunsrück nehmen die körperlichen und seelischen Belastungen für die Familie auf sich. Mit den Gebäuden soll Geschichte am Leben erhalten werden, und sie müssen natürlich die von ihren Vorfahren übernommenen Verpflichtungen einlösen. „Wir verzichten, um das Erbe unserer Eltern zu erhalten“, erläutert Baron von Salis-Soglio das Lebensprinzip seines Geschlechts und fügt mit einem traurigen Blick auf die mit Stahlspinne und Zugseilen gesicherten und zusammengehaltenen Burgtürme hinzu: „Ich sitze auf dem Pulverfaß!“ Er braucht noch rund eine Million Mark, um seine Burg wieder herzurichten, damit sich seine sechsköpfige Familie standesgemäß niederlassen kann. Gott sei Dank bekommt er jetzt Schützenhilfe. Als „ökonomischen Wahnsinn“ bezeichnete Kultusminister Georg Gölter (CDU) die Opferbereitschaft der herrschaftlichen Familien, die seiner Ansicht nach für Rheinland-Pfalz bedeutendes Kulturgut erhalten. Das Land fördert zwar derzeit mit ca. 12 Millionen Mark derartige Projekte, aber Gölter fordert noch mehr Geld aus dem Landeshaushalt. Und vielleicht könnte man ja ein paar tausend Arbeitslose zwangsverpflichten, damit die Adligen endlich nicht mehr selbst Hand anlegen müssen. Karl Wegmann