: SERO ist pleite — droht eine Müllawine?
■ SERO-Annahmestellen können seit gestern kein Geld mehr für die abgegebenen Altstoffe herausgeben
Berlin. Die DDR-Bürger hatten sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnt: Altpapier, Flaschen, Gläser, Thermoplastabfälle, Schrott und Alttextilien wanderten nicht bedenkenlos in den Müll.
Den Weg zum »Rumpelmännchen« oder neudeutsch zur Sekundärrohstoff-Erfassungsstelle (SERO) gingen einige, um ihr Tachengeld aufzubessern, andere mehr aus Prinzip, der Umwelt zuliebe.
Doch damit scheint es erst einmal ein Ende zu haben, nachdem bekannt wurde, daß nun auch die Berliner SERO-Annahmestellen ab Dienstag bis auf Alttextilien und Schrott alle Altstoffe nur noch abnehmen, aber nicht mehr bezahlen können. Ein international anerkanntes Recyclingsystem scheint damit auseinanderzubrechen.
»Wie überall im Land fehlt es auch uns an Geld, wir können nicht mehr aufkaufen, nur noch entgegennehmen«, berichtete Wolfgang Wünsche, Geschäftsführer der Berliner SERO-Recycling GmbH i.G. Bis dato wurden die Aufkaufpreise staatlich subventioniert. Noch im Juli sicherte das Umweltministerium bis Jahresende monatlich 20 Millionen Mark zu.
Doch schon im September kam erstmals der Rotstift zum Einsatz, informierte Wünsche. Die Bitte an den Berliner Magistrat, wenigstens mit einer Million Mark auszuhelfen, wurde abschlägig beantwortet, da die Finanzlage der Stadt prekär sei. »Schweren Herzens mußten wir uns entscheiden, ab sofort nur noch unentgeltlich Altstoffe abzunehmen, mit der Gewißheit, eine Menge Kunden zu verlieren.«
Die Einschätzung, das in der Noch-DDR praktizierte SERO-System sei unrentabel, kann der Geschäftsführer leicht entkräften. Durch die Berliner wurden allein im vergangenen Jahr mehr als 13.000 Tonnen Altpapier, rund 4.300 Tonnen Alttextilien sowie über 114 Millionen Flaschen und Gläser in die rund 150 Annahmestellen der heutigen GmbH gebracht. Gerät das künftig alles in den Abfall, gibt es pro Tag 5.000 Tonnen Müll mehr in der Stadt. »Und den zu beseitigen ist ebenfalls teuer, kostet das Geld, das uns jetzt entzogen wurde«, meinte Wünsche.
Er hat bereits mit Zuständigen der Berliner Stadtwirtschaft gesprochen, sie auf den notwenigen Schritt von SERO hingewiesen und ihnen angedeutet, was sie zu erwarten haben. Auch die bisher nach Westberliner Vorbild aufgestellten Sammelbehälter in den Wohngebieten dürften da kaum Abhilfe schaffen.
Auf die Einsicht der Berliner, auch wenn es keinen Obolus gibt, zur Annahmestelle zu gehen, will er nicht hoffen. Erfahrungen aus anderen Städten der DDR, wo schon nach dem gleichen Prinzip gearbeitet wird: Künftig ist nur noch mit 10 bis 15 Prozent des ursprünglichen SERO-Aufkommens zu rechnen. adn/Gudrun Jänicke
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