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Die Richtung irritiert etwas

■ Zur Austrittswelle bei der AL GASTKOMMENTAR

Reisende soll man nicht aufhalten; ihnen auch keinen Dreck hinterwerfen, schon gar nicht, wenn man eine Wegstrecke im gleichen Abteil saß. Aber die Frage, wohin die Reise denn gehen soll, muß erlaubt sein, genauer, ob der Wechsel des Verkehrsmittels denn sicherer zum Ziel führt. Zwar wurde die AL oft als »Omnibus« für alle (Minderheiten) definiert. Man steigt ein, und man steigt aus, definiert das Ganze als Projekt und weiß die Dauerhaftigkeit der politischen Beziehungen im Einklang mit der der persönlichen. Merkwürdig am derzeitigen Trend zur PDS: Der ehemalige AL-Politiker und jetzige West-PDS-Mitbegründer Klaus Croissant hält es nicht in einer Organisation aus, die mit einer Bürgerrechtsgruppe in der DDR zusammenarbeitet, die ihrerseits »für die Wiedervereinigung« ist. Hans Modrows laut angestimmtes »Deutschland, einig Vaterland« stört ihn dagegen augenscheinlich überhaupt nicht. Birgit Arkenstette, Astrid Geese und Harald Wolf waren immer ToleriererInnen, nahmen den »Jahrhundertakt« der Unterzeichnung der Koalitionsvereinbarung in Vertretung der AL- Basis vor. Als diese gut ein Jahr später immer noch nicht vom Scheitern des rot-grünen Bündnisses überzeugt war, machten sich diese nunmehr im Brechtschen Sinne auf die Suche nach einer anderen Basis. Nur, die Richtung irritiert etwas. Die, die am unerbittlichsten die Unfähigkeit der SPD zu einer neuen Politik feststellten, kokettieren just mit der Partei, die ihre Hand weit ausstreckt — hin zur SPD.

ÖkosozialistInnen, denen der Satz: »Wir Grüne sind nicht rechts, nichts links, sondern vorne«, körperliche Pein bereitete, können mit der PDS-Variante: »Wir sind nicht sozialdemokratisch, nicht kommunistisch, sondern modern (sozialistisch)«, offenbar gut leben. Ist die Partei doch im ideologischen Bereich sogar postmodern. Erlaubt ist, was gefällt. Ein bißchen Lenin, ein bißchen der von ihm so titulierte Renegat Kautsky, viel Rosa Luxemburg (kommt frauen- und medienmäßig gut), zur Beruhigung dann wieder Bernstein. Eine Partei des demokratischen Sozialismus ist man nicht deshalb, weil man sich so nennt oder gar mit altem Kadersockel so umbenennt. Nein, der PDS sollte man Zeit zur Auferstehung aus Politruinen geben und nicht mit ihr neue Trümmer beim Bündnisschmieden produzieren. Wolfgang Wieland

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