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Über das Töten

■ Biennale Venezia: Hahnenkämpfe, Menschenfresser und eine Leiche im Kofferraum

Eigentlich wollte sie ihren Film „Die Sterblichen“ nennen. Aber dann habe sie sich doch nicht getraut: Claire Denis' (Chocolat) zweiter Film heißt S'en fout la mort, „Zum Teufel mit dem Tod“. Es geht um Hahnenkämpfe. Der Schwarze Jocelyn bereitet die Tiere auf die Wettkämpfe vor, treibt Frühsport und tanzt Rap mit ihnen, bekocht sie, frisiert ihre Federn und begleitet sie in den Ring: Gladiatorentraining für den Tod. Dann hacken sie aufeinander ein, umgeben von einer schwitzenden, schreienden Männermeute. Aber die Hähne sterben nicht wirklich. Im Nachspann steht, keines der Tiere sei bei den Dreharbeiten verletzt worden. Und Claire Denis' sagt, sie möge keine Hahnenkämpfe, Thema des Films seien menschliche Beziehungen. Das Motto: Homo homini gallus est. Claire Denis traut sich nicht, den Tod zu zeigen. Sie meint es nur symbolisch.

Werner Herzog hat einen Film über Bokassa gedreht, Echos aus einem düsteren Reich. Als Bokassa noch Diktator in Zentralafrika war, soll er Menschen getötet und sie gegessen haben. Herzog zeigt die Küche des ehemaligen Palastes, den Herd, die Kühlschränke. Klassische Musik aus dem off, dann ein Ausschnitt aus der Krönungszeremonie Bokassas. Und Ausschnitte aus dem Prozess gegen Bokassa. Interviews mit den Exfrauen, den Kindern des Tyrannen. Nicht Herzog führt die Gespräche, sondern Michael Goldsmith, ein Journalist, der unter Bokassa im Gefängnis saß. Weder erfahren wir die Geschichte des Journalisten, noch die der Familienmitglieder Bokassas, noch etwas über die Zahl der Toten und wie Bokassa sie hat töten lassen. Nur ein paar beliebige Details. Am Ende erzählt ein Anwalt, daß Bokassa im Gefängnis sitzt, lebenslänglich. Dann sieht man einen Schimpansen im Käfig, der raucht. Nein, sagt Herzog auf der Pressekonferenz, der Schimpanse sei nichts als ein Schimpanse, der raucht. Er bedeute nichts. „Ich interessiere mich nicht für die Wahrheit, nur für Geschichten.“ Herzogs Desinteresse ist purer Rassismus: Im Film erscheinen alle außer ihm selbst als exotische Tiere. Ich hoffe, kein deutscher Fernsehredakteur nimmt den Film ins Programm.

Drei Männer im Auto. Sie halten an. Im Kofferraum liegt ein vierter Mann. Einer der Männer sticht auf ihn ein, mit einem großen breiten Schlachtermesser. Man hört den Widerstand der Knochen, das schleifende Geräusch des Messers und sieht, wie schwer es ist, es wieder herauszuziehen: das Handwerk des Tötens. So beginnt Martin Scorseses Goodfellas. Reine Fiktion, aber Scorsese vermittelt eine Ahnung was es heißt, sterblich zu sein: ein Fleischklumpen, nichts als Haut, Knochen, Muskeln und Flüssigkeit. Christiane Peitz

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