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Osteuropa bekommt harten Winter

■ Devisen für den Ölkauf fehlen/ Experten rechnen mit Energiekrise und Rationierungen

Wien (afp) — Den neuen Demokratien in Ost- und Mitteleuropa steht nach Einschätzung von Fachleuten ein harter Winter bevor. Energie droht so knapp zu werden wie noch nie, die Wirtschaftssysteme befinden sich mitten im Umbau, und der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), das östliche Wirtschaftsbündnis, bricht auseinander. Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen, Rumänien und Bulgarien werden in diesem Winter mit einer Energiekrise und dem Zusammenbruch ihrer Exportindustrie zu kämpfen haben, sagen Osteuropaexperten vom Wiener Institut für internationale wirtschaftliche Vergleiche voraus.

Bislang floß Erdöl billig und reichlich aus der Sowjetunion in diese Länder. Doch jetzt hat die UdSSR ihre Lieferungen um 30 Prozent reduziert, und von 1991 an will sie sich das Öl in harten Dollar bezahlen lassen. Die Golfkrise und das Handelsembargo des UN-Sicherheitsrats gegen den Irak treiben die Ölpreise auf dem Weltmarkt in die Höhe. „Das wird eine richtige Katastrophe für diese Länder, die sich im vollem wirtschaftlichen Umbruch befinden“, meint Raimund Dietz, Spezialist für Energiefragen am Wiener Institut.

Bei einem Preis von 30 Dollar pro Barrel Öl, wie er gegenwärtig auf den internationalen Märkten verlangt wird, müßte Bulgarien für alle seine verfügbaren Devisen Erdöl kaufen. Die Tschechoslowakei wäre gezwungen, 90 Prozent ihrer Deviseneinnahmen in den Erdölkauf zu stecken, Polen 33 Prozent und Ungarn 21 Prozent. Insgesamt schätzen die Fachleute die Kosten dieser neuen Erdölkrise für die ehemals kommunistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas auf 15 Milliarden Dollar (24 Milliarden Mark).

Die Verbraucher werden mit Stromrationierungen rechnen müssen und Schwierigkeiten haben, die Wohnung zu heizen. Benzin wird es kaum geben oder nur zu unerschwinglichen Preisen. Viele Bürger werden gezwungen sein, teilweise oder ganz auf das Autofahren zu verzichten. Bulgarien hat bereits eine Stromrationierung für den Winter angekündigt. Benzin wird immer knapper im Land. Auch für Rumänien sagen alle Fachleute in diesem Winter eine Energiekrise voraus, obwohl die Regierung in Bukarest noch keine Rationierungen angekündigt hat.

Die für 1991 angekündigte Umstellung des RGW-Handels auf Dollar oder andere Devisen könnte für die kleinen Staaten Ost- und Mitteleuropas eine Reduzierung ihrer terms of trade um 50 Prozent bedeuten. Auch die Auflösungserscheinungen des RGW und das Ende der DDR werden den schon jetzt angeschlagenen Handelsaustausch in Osteuropa weiter durcheinanderbringen. Die kleinen Länder Ost- und Mitteleuropas müßten ihre Industrieproduktion 1991 verdoppeln, um in der UdSSR die gleichen Mengen Öl und Gas wie bisher kaufen zu können.

Sie brauchen nach Ansicht der Wiener Experten deshalb nicht nur Kredite und Investitionen aus dem Westen, sondern vor allem direkte finanzielle Hilfe sowie einen Erlaß der Schulden, die sich, die UdSSR nicht miteingerechnet, auf fast 80 Milliarden Dollar belaufen (128 Milliarden Mark). Die Länder Ost- und Mitteleuropas sind für das Überleben ihrer Wirtschaft außerdem weiter auf den Tauschhandel angewiesen, der 40 Jahre lang Grundlage des RGW war. Die UdSSR könnte nach dem Steigen der Erdölpreise und der Umstellung des RGW-Zahlungsweise ihre Deviseneinnahmen theoretisch um 20 Milliarden Dollar (32 Milliarden Mark) erhöhen. Doch der katastrophale Zustand der sowjetischen Wirtschaft und der Erdölindustrie weckt Zweifel, ob sie die Nachfrage ihrer ehemaligen Bruderländer überhaupt befriedigen kann.

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