Rechte Serben fordern Monarchie

60.000 Demonstranten in Belgrad wollen freie Wahlen/ Kosovoalbaner geben sich Verfassung  ■ Von Roland Hofwiler

Belgrad (taz) — Ein ungewohntes Bild bot die jugoslawische Hauptstadt am Mittwoch nachmittag. Auf den ersten Blick hätte man glauben können, Trachtenverbände, altchristliche Sektengruppen und verkleidete Komödianten wollten sich in der Belgrader Innenstadt ein Stelldichein geben. Auch die alten Volksweisen, die angestimmt wurden, wie die seit fast 60 Jahren nicht mehr gespielte serbische Hymne „Oh Gott du, der Herr Gerechtigkeit“ oder „König Peter, wir ehren dich“ ließen diesen Eindruck erwecken.

Die 60.000, die sich da vor dem jugoslawischen Parlament trafen, bezeichnen sich als „vereinte Opposition“, die den „Bolschewisten um Präsident Slobodan Milosevic“ den Kampf ansagen. Neben den Anhängern der demokratischen Parteien machte sich vor allem der neue Kontrahent der noch immer kommunistisch geprägten Regierung der serbischen Republik, Vuk Drasković, lautstark vor seinen Anhängern bemerkbar: „Wir sind Sklaven, in Fesseln gebunden, aber wir, die Demokraten, werden sie sprengen und die Kommunisten zum Teufel jagen“. Und im Chor schrien seine Anhänger zurück: „Verjagt alle serbischen Vaterlandsverräter“.

Erstmals in der Nachkriegsgeschichte versammelten sich auch Tausende von Cetnik-Verehrern öffentlich. Es handelt sich dabei um an dem historischen Vorbild faschistischer Freischärler orientierte rechtsradikale Gruppen, die bisher zwar die nationalistische Politik des serbischen Parteichefs Slobodan Milosević unterstützten, aber jetzt den kommunistischen Einparteienstaat verdammen. Viele der Demonstranten zeigten sogar Sympathien für die Monarchie, wie sie in der Zwischenkriegszeit bestanden hatte. Einig waren sich die Demonstranten darin, für ein Großserbien zu kämpfen. Die Redner aller sechs großen Oppositionsparteien forderten neben der Abhaltung freier Wahlen binnen dreier Monate die Enteignung des Besitzes des in die„Sozialistische Partei“ umgeformten „Bundes der Kommunisten“.

Während es in Belgrad friedlich zuging, lieferten sich, wie schon am Sonntag im bosnischen Novi Pazar, nun in Foca militante Serben und Muslimanen Straßenschlachten, verbarrikadierten sich die Kniner Serben in Kroatien erneut und wird aus Kosovo gemeldet, die Albaner hätten, praktisch im Untergrund, eine eigene Verfassung ausgearbeitet. Doch die nützt kaum etwas. Weiterhin müssen die Albaner ihren Arbeitsplatz an über 15.000 serbische „Kolonisten“ abgeben. Albanische Intellektuelle behaupten gar, in der Provinz sei nur deshalb nicht erneut der Ausnahmezustand verhängt worden, da man „andere Schlachten“ zu gewinnen habe, Milosević wie Drakovic haben nun die Kroaten als Erzfeinde des serbischen Volkes ausgemacht, wie der 'Vjesnik‘ schreibt. Und diese kroatische Zeitung sieht auch nur noch den Ausweg, Jugoslawien eine neue Verfassung zu geben.

Angesichts dieser Lage ist der Altbolschewist Borisav Jović mit Regierungschef Ante Marković in die Nordwestecke des Vielvölkerstaates gereist, um mit kroatischen und slowenischen Politikern zu diskutieren. Hier schlägt man vor, Jugoslawien in eine Konföderation mit den Namen „Vereinigte jugoslawische Staaten“ oder gar „Vereinigte Staaten von Südosteuropa“ umzuwandeln.