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Die Internationale Herbstakademie für Musik präsentiert:

■ Der Ton für sich — Isang Yun, Komponist

Die „Internationale Herbstakademie für Musik“ bietet ein außerordentliches Ereignis, die Möglichkeit nämlich, einen der großen „Alten“ der Neuen Musik nicht nur musikalisch, sondern auch von Angesicht zu Angesicht zu erleben. Seit Anfang der 60er Jahre zählt der 1917 in Südkorea geborene Komponist Isang Yun zu den bedeutendsten Figuren der europäischen („ernsten“) Musikszene. Die exorbitante Stellung, die Yun zukommt, beruht im wesentlichen auf der Verschmelzung fernöstlicher Klangvorstellungen mit dem instrumentaltechnischen Apparat der abendländischen Musikkultur und deren kompositorischer Tradition.

Aus einer „intellektuellen“ Familie stammend, beginnt Yun 1933 mit Studien an Musikinstituten in Osaka und Tokio. 1943 kehrt er nach Korea zurück, wo er verschiedene Lehrtätigkeiten aufnimmt. Ab 1958 betreibt er Studien in Berlin bei so namhaften Komponisten wie Boris Blacher, Josef Rufer und Reinhard Schwarz-Schilling. Während Yuns Werke zwischen 1959 und 1960 noch eher im Einklang mit dem „Zwölftonfieber“ Darmstädter Prägung stehen, bildet sich seit 1961 erstmals jener Stil heraus, der in der Folge für seine Musik charakteristisch ist. Zum einen erhält das musikalische Material bei Yun nicht erst seinen Sinn durch seine Beziehung untereinander, sondern ein Ton allein ist bereits Kompositionsgrundlage. Yun: „Wenn in der Musik Europas erst die Tonfolge Leben gewinnt, wobei der Einzelton relativ abstrakt sein kann, lebt bei uns schon der Ton für sich.“ In vielfachen Nuancierungen der Dynamik, Tonhöhe, Klangfarbe und des Vibratos wird oft ein „Hauptton“ umwandert, bis sich dieser als Zentrum herauskristallisiert.

Zum andern wird der musikalische Verlauf von einem Denken determiniert, das dem taoistischen Yin-Yang-Gegensatz zu verdanken ist: die stete musikalische Vereinigung sich ergänzender Disparität, die sich häufig als Wechsel ruhiger Töne oder Klänge mit ornamentalen Passagen präsentiert. Für den Hörer ein völlig ungewohntes Ohrenerlebnis, das allerdings nichts mit der stupiden Irrationalität modischer Meditationsdummheiten zu tun hat. H.Schmidt

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