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Förderung für alternative Medien?

■ Alternative Öffentlichkeit ohne Infrastruktur/ Heinrich-Böll-Stiftung beginnt Diskussion

Etliche Millionen, größtenteils aus Steuergeldern, verwenden die parteinahen Stiftungen, die Kirchen und die politischen Bildungszentralen von Bund und Ländern jährlich für die Förderung von Medien und Journalismus. Nicht die eigene Presse ist gemeint, auch nicht die Öffentlichkeitsarbeit, sondern die Unterstützung gemeinnütziger Radios oder die Fortbildung von Journalisten aus der dritten Welt. So vermittelt die „Christliche Medien-Akademie“ unter dem Dach des „Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik“ auch an Nicht-Gläubige eine solide journalistische Grundausbildung und die Konrad-Adenauer-Stiftung verleiht Preise für guten Lokaljournalismus — und schaut dabei durchaus über den konservativen Tellerrand hinaus.

Was aber gibt es diesbezügliches im ökologisch-alternativ-feministischen Spektrum? Nichts! Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo durch die deutsch-deutsche Entwicklung alle Karten auch in der Medienöffentlichkeit neu gemischt werden. Zwar haben sich alternative Medien durch Entrepreneursgeist ausgezeichnet, aber weder einen eigenen Verlegerverband noch eine Querfunk-ARD ins Leben gerufen. Dementsprechend fehlen auch Ausbildungsstätten, die gemeinhin von solchen Verbänden getragen werden. Seitdem alternative Medien existieren, gibt es keine Institution, die die Ausbildung ihrer Medienarbeiter auf ihre Fahnen geschrieben hat. Learning by doing ist das probate Mittel, mit dem man sich die nötige Qualifikation aneignet.

Der „Informationsdienst: Zentrum für alternative Medien“ in Frankfurt/Main hat deshalb bei der Heinrich-Böll-Stiftung angefragt, ob sie nicht ein solches Medienförderungsprogramm einrichten wolle. Gedacht ist nicht ans ein Gießkannenprinzip, das heute dem Alternativblatt in der Zeitungswüste Ludwigshafen, morgen dem Fachblatt für kritische Gentechnologie, übermorgen der Leipziger Frauen-Television hilft, sondern ein Konzept, das die gesamte Infrastruktur alternativer Medien unterstützt.

So gibt es seit dem Ende der Zeitschrift „Chips und Kabel“ kein Forum mehr, das die Entwicklung von Medien, Kultur und neuen Kommunikationstechnologien unter alternativen Fragestellungen angemessen berücksichtigt. Schon deshalb ist das links-alternative Spektrum hinsichtlich seiner Medienkritik weit hinter dem Stand der Entwicklung zurück. Auch der alte Vorsatz „Betroffene“ sprechen zu lassen, scheint seit einiger Zeit tabu. Dabei gibt es ernstzunehmende Versuche den Medienzugang für Unterprivilegierte und Randgruppen zu erleichtern.

Für Recherche kein Geld

Investigativer Journalismus ist vom Anspruch her der alternativen Medien liebstes Kind. In der Praxis aber können sich nur wenige etablierte Medien hartnäckige, langfristige Nachforschungen leisten. Deshalb sollte Rechercheförderung ein Bestandteil eines grün-alternativen Förderprogrammes sein. Doch nicht nur Wallraffiaden, schon kleine Suchaktionen in staubbedeckten Archiven scheitern allzu oft: es hapert an der Dokumentation. Vielfalt und Eifer der Archive, die unkonventionelle Geschichtserzeugnisse sammeln, stehen in traurigem Kontrast zu den Schwierigkeiten, das dezentral gelagerte Material auch zu nutzen. Dokumentarische Recherchen brauchen also Koordination, per Computer und per Institution. Auch bei der Bekämpfung jeder Art von Zensur und natürlich bei der Verknüpfung von Kunst und Medien wäre noch einiges zu tun.

Grundsätzlich und oft utopistisch waren die Debatten, die vor allem in den 70er und Anfang der 80er Jahre über das Selbstverständnis alternativer Medienproduktion geführt wurden. Geblieben ist von all dem ein Katalog von Ansprüchen (sollen alternative Zeitungen, Radios und Videogruppen ökologisch, feministisch, antikapitalistisch, internationalistisch und antimilitaristisch orientiert sein?), der mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Konsens scheint zu sein, daß alternative Medien partizipatorisch agieren („Alle kommen zu Wort“), authentisch berichten („Persönliches wird öffentlich“) und selbstverwaltet arbeiten sollen. Die weitverzweigte alternative Medienöffentlichkeit von heute weist allerdings nur einige dieser Kennzeichen auf, verknüpft mit Merkmalen „etablierter “ Öffentlichkeit. So gibt es gegenwärtig feministische Medien, die diktatorisch statt selbstverwaltet funktionieren sollen, ökologische Programme mit Kochrezepten statt Kapitalismuskritik und partizipatorische Nischen für Protestkampagnen ohne Beziehungskisten.

Hinzu kommt, daß Themen, Personen, Sprachgebräuche der alternativen Medien in die Etablierten „hochgesickert“ sind. Nicht nur von den als „zwischenetabliert“ geltenden Medien wie der taz geht der Weg zu 'Zeit‘, 'Spiegel‘ und ARD, auch vom unbeugsamen Radio Dreyeckland sollen Trampelpfade zum Privatfunk führen. Aus diesem Grunde hat der ökolibertäre Thomas Schmid auch von einer „verschränkten Öffentlichkeit“ gesprochen.

Partizipative Medien brauchen Pflege

Eingeladen von der Heinrich-Böll- Stiftung haben im März diesen Jahres ausgewählte Repräsentanten und Repräsentantinnendieser verschränkten Öffentlichkeit darüber diskutiert, wie eine alternative Medienföderung aussehen könnte. Und siehe da, ganz im Sinne des Namenspatrons Böll gab es Grenzüberschreitungen zwischen ARD-Rechercheuren und Kulturschaffenden, zwischen Querfunkern und Dokumentaristen, zwischen Datenbankfans und etablierten Fernsehjournalisten. Tenor: Partizipative Medienarbeit, dieses zarte Pflänzchen das von „unten“ nachwächst, es muß gehegt und gepflegt werden, damit es nicht verdorrt. Böll-Vorstandsmitglied Dieter Schöffmann ließ keinen Zweifel, daß sich hier etwas machen ließe, nur Zeit und Geduld seien gefordert.

Wenn denn der grün-nahe Stiftungsverbund vielleicht demnächst jährlich zwei Millionen Mark für politische Bildungsprogramme ausgibt, dann ist das nicht wenig. Schreien werden vor allem aber die, an denen der warme Geldregen vorbeigeht. Schon von daher ist eine öffentliche Diskussion über das Programm dringlicher denn je. Richard Herding/Fatima Romao (Informationsdienst: Zentrum für alternative Medien, Projekt Alltag, Frankfurt/Main)

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