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Olympischer Darwinismus

■ Das IOC plant die Reduzierung der olympischen (Sport-)Arten

Tokio (dpa) — Um die immer gigantischer gewordenen Sommerspiele vor einem Kollaps zu retten, wird das Internationale Olympische Komitee (IOC) das Olympia-Programm demnächst einer generellen Überprüfung unterziehen. „Sportart für Sportart“ solle untersucht werden, ob und in welchem Umfang noch eine olympische Daseinsberechtigung besteht, kündigte IOC-Sprecherin Michele Verdier am Freitag nach einer Sitzung des Exekutivkomitees an. Zugleich ließ das Führungsgremium eine von Willi Daume formulierte Neufassung der Zulassungsbestimmung passieren, die einer völligen Öffnung Olympias für Profis gleichkommt. Die neue Regel muß noch, im Rahmen einer grundlegenden Neufassung der IOC-Charta, von der am Sonntag in der japanischen Hauptstadt beginnenden 96. Vollversammlung angenommen werden.

Immer mehr Sportarten und immer größere Teilnehmerfelder aus immer mehr Ländern (gegenwärtig erkennt das IOC 167 NOKs an) haben die Sommerspiele an den Rand eines Infarkts getrieben. Durch die Aufnahme von Baseball und Badminton steigt die Zahl der Sportarten in Barcelona 1992 auf 25 (in Athen 1896 begann es mit acht Sportarten), die Wettbewerbe wurden gegenüber Seoul 1988 noch einmal um 20 auf 257 erhöht.

Für die Sommerspiele danach will das IOC das Problem nun durch eine Neubewertung grundsätzlich in Angriff nehmen: Durch Streichung von Sportarten, Disziplinen und Wettbewerben, durch Reduzierung der Teilnehmerzahlen pro Wettbewerb. Noch hat das IOC erst allgemeine Prinzipien für diese Reform aufgestellt. Doch welche Sportarten es treffen könnte, ist schon jetzt klar: Den Reitsport (Dressur) wegen seines international relativ geringen Verbreitungsgrades, das Boxen wegen seiner Gesundheitsgefährdung und Gewichtheben wegen seiner Dopinganfälligkeit.

Finanziell geht es dem IOC so gut wie nie. Michele Verdier bezifferte die Einnahmen im Haushalt 1989 bis 1992 mit 184 Millionen Dollar, gespeist aus dem Verkauf der olympischen Fernsehrechte und dem Marketingprogramm. 48 Millionen davon gehen in die sportliche Entwicklungshilfe. Vor ein zusätzliches Problem gestellt wird das IOC durch den Antrag der drei baltischen NOKs von Litauen, Estland und Lettland auf Anerkennung. Für diese Frage setzte das Exekutivkomitee eine Arbeitsgruppe ein und spielt damit auf Zeit.

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