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Am Namen schieden sich die Geister

Die neue Listenverbindung heißt „Die Grünen/Bündnis 90 — BürgerInnenbewegungen“/ Endgültiges Votum des Neuen Forums steht noch aus  ■ Aus Berlin Beate Seel

Seit Donnerstag, achtzehn Uhr, hat die neue Listenverbindung für die gesamtdeutschen Wahlen endgültig, so scheint es, einen Namen: Das Kind soll „Die Grünen Schrägstrich Bündnis 90 Gedankenstrich BürgerInnenbewegungen“ heißen — ein Wortungetüm, das die Protokollantin spontan zu einem Ausruf veranlaßte: „Wie? Wer hat sich das denn ausgedacht?“ Ausgedacht hatte sich das die Verhandlungsrunde zwischen Grünen aus Ost und West und den Bürgerbewegungen der DDR, um doch noch einen kleinsten gemeinsamen Nenner in der leidigen, heftig umstrittenen Namensfrage zu finden.

Es galt, eine Brücke zu schlagen zwischen den Vertretern von Demokratie Jetzt (DJ) und der Initiative für Frieden und Menschenrechte (IFM), die auf dem bereits eingebürgerten und durch die Arbeit der Volkskammerfraktion positiv besetzen Namen Bündnis 90 insistierten, und den Delegierten des Neuen Forums. Deren Vorschläge: Die Grünen/Bündnis90/Neues Forum oder Die Grünen/Bürgerbewegungen (ohne das große I).

Die beiden offiziellen Delegierten des Neuen Forums, Klaus Wolfram und Reinhold Mau, wiesen darauf hin, daß die Landesverbände des NF auf jeden Fall aus dem Bündnis 90 (NF, DJ, IFM) ausscheren wollten. Bei den Volkskammerwahlen hätte man damit negative Erfahrungen gemacht, man hätte Gruppierungen mitvertreten müssen, die auf dem platten Land überhaupt nicht existierten.

Hintergrund ist jedoch auch eine große Distanz zu den eigenen Abgeordneten in der Volkskammer, „mit Ausnahme von Jens Reich“, wie Wolfram am Rande der Gespräche sagte.

Wechselseitige Ankündigungen, den Verhandlungen gegebenenfalls den Rücken zu kehren, und Erpressungsvorwürfe stellten die Anwesenden vor die bittere Alternative, sich mit ihrem Votum zugleich für oder gegen die Beteiligung von NF beziehungsweise DJ/IFM auszusprechen, wobei die beiden letzteren lediglich an der geltenden Beschlußlage festhielten.

Ungeachtet des schließlich mit 8:4:2 verabschiedeten Kompromißangebots an das Neue Forum mochten Wolfram und Mau der Runde unter Verweis auf die Beschlußlage der Basis nicht länger beiwohnen. Allerdings: Die Tür zum Neuen Forum ist noch längst nicht zugeschlagen. Die VertreterInnen aller Organisationen sprachen sich dafür aus, im Koordinierungsrat für die Zeit des Wahlkampfes Plätze für das NF freizuhalten, und äußerten die Hoffnung, daß die größte Bürgerbewegung auf ihrem Delegiertentreffen am 23. September in Leipzig doch noch die Beteiligung am Bündnis beschließt. Reinhold Mau erklärte vor seinem Auszug, er werde sich dafür stark machen, daß das NF zumindest den Wahlkampf des Bündnisses unterstützt. Martin Böhm (NF Leipzig) meinte gar, ein Ausscheren aus dem Bündnis werde dort „Entsetzen auslösen“. Ungeachtet der derzeitigen Meinungslage ist es darüber hinaus durchaus denkbar, daß einzelne Mitglieder des NF auf den gemeinsamen Listen des Bündnisses antreten.

Mit dem Beschluß zeigten sich auch die VertreterInnen der Pankower Basisinitiative zufrieden. Sie hatten am Sonntag eine politische Vereinigung mit dem Namen „Bündnis 90“ gegründet und angemeldet, um den Namen juristisch zu sichern. Die anwesenden Mitglieder der Initiative, die von Befürwortern eines breiten Bündnisses innerhalb des NF ausging, erklärten sich bereit, ihren Verein umzubenennen, wenn das Wahlbündnis seine Kandidatenlisten eingereicht hat.

Das Aufstellen der Listen und die Wahl der KandidatInnen durch die Landesverbände der Grünen Partei ist nunmehr der einzig noch ausstehende Punkt. Dieses letzte heiße Eisen wird sicherlich mit auf der Tagesordnung stehen, wenn der neue Koordinierungsrat am 24.9. zu seiner ersten Sitzung zusammentritt.

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