: Finanzverwaltung gewinnt Konturen
■ Aufbau der Finanzämter und Oberfinanzdirektionen mit westlicher Hilfe/ Beratungsbedarf der Unternehmer ist groß/ In dieser Woche werden die Lohnsteuerkarten verteilt
Düsseldorf/Leipzig (dpa/vwd) — Allmählich bilden sich die Strukturen für eine Steuer- und Finanzverwaltung analog den Bestimmungen in der BRD heraus. Nach der Währungsunion am 1. Juli mußte praktisch aus dem Nichts eine Steuerverwaltung mit Finanzämtern und Oberfinanzdirektionen geschaffen werden. Steuererhebungen waren hier bislang unbekannt, die Betriebe mußten Erträge direkt an die Kommunen, Kreise und Bezirke abliefern. Einige Hundertschaften an Steuer- und Finanzexperten aus den Bezirken der 16 bundesdeutschen Oberfinanzdirektionen sind zur Zeit in der DDR, um bei der Einrichtung der Steuerbehörden und Finanzämter beratend zu helfen.
Insgesamt fünf Oberfinanzdirektionen sollen in den fünf künftigen neuen Bundesländern im vereinten Deutschland entstehen. Für alle Bezirke haben bundesdeutsche Oberfinanzdirektionen die Patenschaft übernommen, und jedes einzurichtende Finanzamt wird von einem der hiesigen Finanzämter beim Aufbau betreut. Von den drei nordrhein- westfälischen Oberfinanzdirektionen beispielsweise ist die OFD Münster für den Bezirk Cottbus zuständig, die OFD Köln für Frankfurt/ Oder und die OFD Düsseldorf für den Bezirk Leipzig.
Für das als erstes eingeführte Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren mußten erst einmal mühsam alle Unternehmen über die Kommunen erfaßt und mit Vordrucken beliefert werden, die von einer bundesweiten Kommission unter Federführung der OFD DÜsseldorf erarbeitet worden waren. Zu jedem der neun einzurichtenden Finanzämter im Bezirk Leipzig hat die OFD Düsseldorf ein Team von zwei Umsatzsteuer-Spezialisten geschickt, das nach jeweils vier bis fünf Wochen abgelöst wird.
Wie OFD-Finanzpräsident Klaus Beschoten berichtet, ist der Beratungsbedarf von Unternehmern riesig: Pro Finanzamt baten im Schnitt pro Tag 150 Unternehmer um Hilfe. Der erste Abgabetermin für die Umsatzsteuervoranmeldungen war der 10. August, und die West-Experten waren überrascht: Der Rücklauf der Bögen erreichte immerhin eine Quote von rund 60 Prozent. Beschoten: „Das ist sehr hoch. Man kann sagen, daß sich das Umsatzsteuervoranmeldungsverfahren zunehmend konsolidiert.“ Die westdeutschen Finanzamts-Berater sind aber auch bereits mit ihren Kollegen, die überwiegend schon Schulungs-Kurse in der DDR und zum Teil auch in der Bundesrepublik absolvierten, „vor Ort“ unterwegs bei Betriebsbesuchen. Doch auch hier stehen Hilfe und Beratung an erster Stelle und nicht etwa Kontrollen.
Nach Einführung der Umsatzsteuer steht jetzt die „Zweite Welle“ an, nämlich die Lohnsteuer. Seit dieser Woche sind aus Nordrhein-Westfalen zusätzliche Teams mit je zwei Lohnsteuer-Experten bei ihren Patenfinanzämtern. Zur Zeit beginnen die Betriebe, an ihre Arbeitnehmer eine Lohnsteuerkarte für 1991 zu verteilen. Die muß vom 1. Oktober an dann von der Meldebehörde (die örtliche Volkspolizei) mit den persönlichen Daten — der Steuerklasse und Kinderfreibeträgen — ausgefüllt werden. Für weitere Ermäßigungsbeträge sind dann die Finanzämter zuständig. Auch hier rechnen die westdeutschen Helfer mit einer wahren Flut von Fragestellern.
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