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Intelligente Fernsehunterhaltung

„Das Model und der Schnüffler“, jeden Mittwoch auf RTLplus  ■ Von Harald Keller

Nach einer jüngst von 'Bild + Funk‘ vorgenommenen Erhebung stehen US-amerikanische Fernsehserien nicht besonders hoch in der Gunst des deutschen Ferneshepublikums. Das hat seine Berechtigung, denn die Flut schnell und billig abgekurbelter Fortsetzungsgeschichten ist ebenso unüberschaubar wie nervtötend. Andererseits sollte man sich vor voreiliger Ablehnung hüten, denn immer wieder gibt es Highlights unter den Angeboten. Die an dieser Stelle schon abgefeierte Persiflage Sledge Hammer gehört dazu und auch Moonlighting, im Programm von RTLplus unter dem Titel Das Model und der Schnüffler.

Die Vorgeschichte der Episioden: Maddie Hayer (Cybill Shephard) ist als Model sehr erfolgreich und rangiert in der oberen Einkommensklasse. Ihr Erspartes läßt sie von einem Anlageberater verwalten, was sich als verhängnisvoller Fehler erweist: Der Finanzhai verschwindet auf Nimmerwiedersehen nach Südamerika und mit ihm Maddies Vermögen. Alles, was ihr bleibt, ist die Detektei „Blue Moon“. Doch das erstklassig eingerichtete Büro mit mehreren Mitarbeitern erweist sich als Abschreibungsobjekt: David Addison (Bruce Willis) und seine Angestellten haben noch nie auch nur einen einzigen Fall gelöst. Maddie will die absurde Firma abstoßen, doch David Addison umgarnt und überredet sie schließlich, den Betrieb weiterzuführen. Und so versuchen die beiden nun allwöchentlich, die unterschiedlichsten Fälle zu lösen. Dabei geht es weniger um die Kriminalfälle als um die verbalen Schlagabtausche zwischen Maddie und David. Der Produzent hatte die gepfefferten Dialoge der gemeinsamen Filme von Katherine Hepburn und Spencer Tracy im Sinn, als er diese Serie konzipierte. Tatsächlich lebt hier in den gelungenen Episoden — und gelungen sind die meisten — der Geist der „Screwball Comedies“; frech, schnell und anspielungsreich ist der Wortwechsel zwischen Maddie und Dabid; fast immer sind sie konträrer Meinung und doch heimlich fasziniert voneinander.

Noch ein weiteres hebt diese Serie über den Durchschnitt: Häufig veralbern die Autoren und Regisseure ihr eigenes Medium. Da streiten sich Maddie und David und fragen schließlich die Zuschauer um ihre Meinung. Stellvertretend schüttelt die Kamera mit dem Kopf. Noch ärger trieben sie es in der Folge „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“, in den Staaten die letzte Sendung vor der Sommerpause. Gemeinsam mit Gaststar Whoopie Goldberg flohen die beiden verhinderten Helden vor dem falschen Polizisten Judd Nelson aus einem Frisiersalon, dann aus den Kulissen und schließlich aus dem Studio. Über das Gelände der Filmfirma ging die Jagd in schönster Slapsticktradition von Halle 14 zu Halle 20 bis in die bekannte Bürokulisse, wo alle dann vom Killer gestellt wurden. Eher der aber seinen Revolver abdrücken konnte, kam der Requisiteur von der Seite und nahm ihm die Waffe weg: „Wir haben den Drehplan überzogen. Die Requisite muß die Waffe wiederhaben.“ Während im Hintergrund schon abgebaut wurde, erklärten Maddie und David ihren „Gästen“ (und den Zuschauern), wie die Geschichte endet. Vor der Produktionshalle, auf dem Parkplatz des Studios, verabschiedeten sich schließlich Maddie und David bis zum Herbst voneinander — Rollen und Realität mischen sich immer wieder aufs Wunderbarste und Aberwitzigste. So intelligent kann Fernsehunterhaltung sein.

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