: „Wir sollten uns politisch nicht vordrängen“
■ Der Sicherheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Karsten Voigt, zu den Vorschlägen Portugalows und Andreottis INTERVIEW
Gorbatschow-Berater Nikolaj Portugalow hatte am Wochenende vorgeschlagen, das vereinte Deutschland solle neben den alliierten Siegermächten und China sechstes ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat werden. Der italienische Ministerpräsident Guilio Andreotti machte gestern den Gegenvorschlag, statt dessen der Europäischen Gemeinschaft einen Sitz im Rat zu geben. Die Bonner Opposition steht einer ständigen deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat skeptisch gegenüber. Während der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel am Dienstag in dieser Frage vor Journalisten in Bonn „Zurückhaltung und Ruhe“ anmahnte, vertrat Grünen-Fraktionssprecherin Antje Vollmer die Ansicht, die deutsche Politik sei auf die mit der permanenten Sicherheitsratsmitgliedschaft verbundene weltpolitische Verantwortung noch nicht vorbereitet. Vollmer wörtlich: „Die Deutschen fühlen sich doch noch als Zwerge.“
Karsten Voigt, Sicherheitsexperte der SPD- Bundestagsfraktion zu den Plänen:
taz: Sollte Deutschland ein Angebot annehmen, Mitglied im Sicherheitsrat der UNO zu werden?
Karsten Voigt: Das Vertrauen des Herrn Portugalow ehrt. Es zeigt, daß unsere Nachbarstaaten Deutschland als europäische Großmacht ansehen. Allerdings: Portugalow ist Deutschland-Experte. Ich glaube nicht, daß die UNO wirklich ein solches Angebot macht. Unsere Nachbarn wollen jetzt erst mal abwarten, wie sich das vereinigte Deutschland verhalten wird.
Was halten Sie nun von dem Vorschlag?
Wir sollten weder danach streben noch uns vordrängen, Mitglied im Sicherheitsrat zu werden. Erst mal müßten einige Voraussetzungen geklärt werden.
Welche?
Erstens: Die Diskriminierung Deutschlands in der UN-Satzung muß gestrichen werden. Da ist immer noch von den Feindstaaten Deutschland und Japan die Rede. Zweitens: Wir müßten unser Grundgesetz ändern und festschreiben, daß sich deutsche Truppenverbände an den friedenstiftenden Aktionen der UNO beteiligen.
Befürchten Sie nicht, wenn Deutschland noch dazu kommt, eine noch größere Übermacht der Nord-Länder im Sicherheitsrat? China ist bislang das einzige Land in diesem Gremium.
Das Angebot, den Sicherheitsrat zu erweitern, sollte deshalb besser erst mal Ländern wie Indien und Brasilien gemacht werden. Wir sollten uns politisch nicht vordrängen.
Und was sagen Sie zu Andreottis Vorschlag, die EG sollte einen Sitz bekommen?
Ja, das kann ich mir schon besser vorstellen.
Aber müßten dann nicht Großbritannien und Frankreich auf ihren Sitz verzichten?
Ja, das würden die wohl nicht machen. Interview: Tina Stadlmayer
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