: 648 Mark fürs Dreibettzimmer
■ Abschiebung per Mietpreis? Horrormieten für ausländische Arbeitnehmer in Ost-Berlin
Ost-Berlin. Ausländer müssen in den Ostberliner Arbeiterwohnheimen eine höhere Miete bezahlen als Deutsche 1,20 DM mehr pro Tag und Bett. Die Differenz summiert sich. Während die deutschen Werktätigen für einen Platz im Mehrbettzimmer der »Arbeitnehmer-Wohnungsbaugesellschaft mit Westberliner Beteiligung (AR-WO-GE)« im Monat 180 DM hinblättern müssen, zahlen die Ausländer für dieselbe Unterbringung mindestens 216 DM, manchmal aber auch 270 DM im Monat. Weil die Zimmer in den DDR- Wohnheimen in der Regel mit drei Personen voll belegt sind, bringt das gutes Geld ins Haus. Pro Zimmer, durchschnittlich 20 qm groß, kassiert die AR-WO-GE also 540 DM bzw. mindestens 648 DM. Die unterschiedlichen Preise werden von dem Mitarbeiter der AR-WO-GE, Manfred Vietze, damit begründet, daß die Verbrauchskosten der Ausländer höher sind als die der Deutschen. »Die Deutschen«, sagt er, »sind größtenteils Wochenendpendler, kochen weniger und gehen abends oft aus. Die Ausländer hingegen, insbesondere die Mosambikaner in Schichtarbeit benutzen die Zimmer und Gemeinschaftseinrichtungen wie Küche etc. intensiver.« Das kostet mehr Strom, es muß mehr geputzt werden, der teurere Tagessatz von (in der Regel) 7,20 statt 6 DM ist daher gerechtfertigt.
Scharf wendet sich Vietze gegen den Vorwurf des »Mietwuchers«. Die Tagessätze, sagt er, seien Anfang 1988 vom Magistrat festgelegt worden und seitdem nicht mehr erhöht worden. Es gäbe nur einen für die Bewohner »schmerzenden Unterschied«. Bis zur Währungsunion seien die Unterbringungskosten bis auf einen »Anerkennungsbeitrag« von den Betrieben bezahlt worden, jetzt müssen die Werktätigen die Miete zu hundert Prozent selber bezahlen. »Und dafür können wir nichts, die Mietpreise sind bei den gestiegenen Kosten nicht einmal kostendeckend.«
Und in der Tat, die Kritik an den teureren Wohnheimplätzen muß sich auch gegen den Magistrat richten. In der heutigen Stadtverordnetenversammlung wird dieses Thema auch zur Sprache kommen, denn bis Anfang August war die AR-WO-GE unter dem Namen »Arbeiterwohnheimverwaltung« ein unselbständiges »Beherbergungsunternehmen« der Stadt. Die Betriebe beantragten beim Magistrat für ihre Arbeiter Wohnheimplätze, und eine kommunale »Vergabekommission« verteilte die einzelnen Werktätigen auf die dreizehn existierenden Wohnheime. Die Wohnheime wiederum forderten die vom Magistrat festgelegten Tagessätze von 6 DM bzw. 7,20 DM von den Betrieben, und diese betrachteten die Wohnheimkosten als einen Teil des Lohnes und bezahlten. Und jetzt eben nicht mehr. Vietze: »Nicht wir müssen billiger, sondern die Löhne der Arbeiter müssen erhöht werden.« aku
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