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Wie eine militärische Operation

■ Ein Gespräch mit Tony Scott, dem Regisseur von „Tage des Donners“

taz: Wie fühlt sich ein Regisseur, dessen Filme im Bewußtsein der Öffentlichkeit und der Filmindustrie als Produzentenfilme gelten, als die Schöpfungen des Produzentenduos Don Simpson und Jerry Bruckheimer, die in Hollywood als „visionäre Allianz“ gehandelt werden?

Tony Scott: Ich habe drei Filme mit ihnen zusammen gemacht, weil ich sie als Produzenten und als Männer schätze. Viele Produzenten in Hollywood erzählen immer davon, mit welcher Leidenschaft sie Filme machen. Simpson und Bruckheimer sind die einzigen, denen ich glaube, daß sie es wirklich so meinen. Geld und Geschäft bedeuten ihnen natürlich etwas, aber der wirkliche Schlüssel zu ihrem Erfolg und ihrer Lebensweise ist, daß ihnen ihre Arbeit Spaß macht. Mit den beiden Burschen zu arbeiten, ist wie bei einer Ehe, einer ziemlich heftigen Ehe.

Ich nehme an, ein so aufwendiger Film wie „Tage des Donners“ ist für einen Regisseur in erster Linie eine technische Herausforderung. War es schwierig für Sie, mit einem Kamerateam von mehr als sechzig Leuten zu arbeiten?

Nein. Für „Tage des Donners“ habe ich mit den gleichen Crews gearbeitet, mit denen ich schon seit Jahren zusammenarbeite. Als wir das große Rennen in Daytona drehten, vor 180.000 Zuschauern, hatten wir 26 verschiedene Kamerateams. Ich saß in einem Wagen mit 26 Monitoren und hielt per Walkie-talkie mit den Kamerateams Kontakt. Das war wie eine militärische Operation: Ich war in der Basiszentrale und dirigierte die Arbeit der Teams, nachdem ich ihnen vorher ganz präzise Instruktionen über die Kamerapositionen und Storyboard-Zeichnungen gegeben hatte. Die logistischen Probleme konnten einem schon Kopfzerbrechen bereiten, aber das mußte sein, damit ich erreichte, was ich wollte.

Haben Sie sich danach nicht verloren gefühlt angesichts der Unmenge des gedrehten Filmmaterials?

Nein, ich habe mich verloren gefühlt angesichts der kurzen Zeit, die mir für den Schnitt blieb. Nach Abschluß der Dreharbeiten blieben mir nur noch 22 Tage und ich glaube, der Film leidet etwas darunter. Das gilt nicht nur für die Rennszenen, sondern auch für Szenen mit den Schauspielern. Es blieb nicht genug Zeit, die besten Takes einer Einstellung herauszufinden. Bei „Top Gun“ hatte ich sechs Monate Zeit für den Schnitt, hier hatte ich nur drei Wochen! Aber „Tage des Donners“ ist ein Sommerfilm — Tom Cruise am Lenkrad eines Rennwagens! — und hohe Verleihgarantien standen auf dem Spiel, wenn wir den Film nicht bis zum 27.Juli in die Kinos brachten.

Inwiefern stellte „Tage des Donners“ nun eine andere Herausforderung dar als „Top Gun“?

„Top Gun“ war vom technischen Standpunkt aus gesehen härter: Die verdammten Flugzeuge standen ja nicht still, und wie soll man brauchbares Material drehen, wenn die Jets mit 1.000 km/h an der Kamera vorbeifliegen? Bei „Tage des Donners“ bestand die Herausforderung darin, etwas Neues zu machen. Wie oft hat man schon Rennwagen gesehen, die ständig nur ihre Runden drehen? Das gibt es an jedem Samstagnachmittag im Fernsehen, und deshalb gibt es ganz eingefahrene Sehmuster bei den Zuschauern. Es gibt halt nur soundsoviele Kamerapositionen, aus denen man eine Rennszene dramatisch wirken lassen kann. Und da ist es nicht einfach, etwas zu finden, was die Zuschauer noch nicht gesehen haben. Aber ich denke, das ist uns gelungen, vor allem, weil wir versucht haben, den Zuschauer ins Wageninnere zu versetzen, um zu zeigen, wie gefährlich das Fahren auf diesen Rennbahnen ist.

Muß der Film nicht auch mit den Seherfahrungen der Zuschauer aus Rennfahrerfilmen wie „Grand Prix“ von John Frankenheimer konkurrieren?

Ich habe mir natürlich alle Rennfahrerfilme angesehen, „Grand Prix“ und „Le Mans“ mit Steve McQueen, der zu den besten zählt. Ein Fehler dieser Filme ist nach meiner Ansicht aber, daß sie sich zu stark an Ereignissen orientieren. Mit scheint, für die Charaktere hat man sich erst in zweiter Linie interessiert, und dann auch nur als Bindeglieder zwischen den Rennszenen. Robert Townes (Drehbuchautor) Idee war eine andere: er wollte seine Geschichte über Charaktere vor dem Hintergrund des Rennsports erzählen. Ich finde diesen Ansatz stichhaltiger und gesünder, ich denke auch, daß die Zuschauer sich in „Tage des Donners“ stärker für das Drama interessieren. „Grand Prix“ und „Le Mans“ hatten brillante Rennszenen, aber für die Charaktere habe ich mich nie wirklich interessieren können.

Die Figur Tom Cruise ist die Kraft, die den Film vorantreibt, und auch die Beziehungen der Figuren. Ich glaube, daß die zentrale Beziehung nicht die zwischen Tom und Nicole Kidman (so gut sie auch ist in dem Film) ist, sondern die zwischen ihm und Robert Duvall. Der Film erzählt natürlich auch eine Liebesgeschichte, aber in erster Linie die zwischen den beiden Männern.

Es hat mich sehr überrascht, daß Robert Towne für das Drehbuch verantwortlich zeichnet: Das Sujet scheint seinen Interessen kaum zu entsprechen, und die Formelhaftigkeit der Geschichte paßt eigentlich gar nicht zu seinem Stil.

Ja, er war auch nicht der erste, der am Drehbuch arbeitete. Vor ihm gab es schon drei andere Autoren. Was sie schrieben, war nicht schlecht, aber irgendwann kam bei einem Gespräch mit den beiden Produzenten sein Name ins Spiel: „Wäre es nicht großartig, wenn er das Buch schriebe?“ Seine Bücher sind natürlich viel intellektueller und esoterischer, aber Don Simpson kannte ihn und sagte: „Ich rufe ihn einfach an. Vielleicht haben wir ja Glück.“ Und Towne befand sich gerade an einem Punkt, an dem er einmal etwas völlig anderes machen wollte. Er fand auch ziemlich schnell einen Haken an der Geschichte, der ihn interessierte. Dann fuhr er mit uns in den Südosten zu den großen Rennbahnen. Er traf sich mit Fahrern und unterhielt sich mit den Teamchefs und Trainern. Er bekam ein Gespür für diese Welt und ihre ganz eigene Atmosphöre. Er brachte von seinen Recherchen fast 30 Stunden Interviewmaterial mit und extrahierte daraus Ideen für sein Drehbuch. So beruht die Tom Cruise-Figur beispielsweise auf zwei realen Stock-Car-Fahrern: einer heißt Dale Ernhardt und zählt heute zu den ganz großen Stars und der andere war Kim Richmond, der kurz vor Beginn der Dreharbeiten starb. Auch für die Rolle von Robert Duvall gab es ein reales Vorbild, einen Trainer namens Harry Hide. Die meisten Dinge, die im Film passieren, beruhen auf wahren Ereignissen. Das Gespräch führten Lars-Olav Beier

und Gerhard Midding

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